Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
mir die Tränen in die Augen. Ich stecke meine Nase in Leonies Löckchen. Okay, vielleicht muss Anne ihr demnächst die Haare waschen, aber für mich riecht selbst die leichte Magginote vertrauter, als jemals ein Wesen zuvor gerochen hat: ein bisschen wie ich, nur süßer.
Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich Mr. Perfect durch den Windfang gehen. Er schaut von Leonie zu mir, sein Blick wechselt ins Spöttische.
»Hat sie dich gehauen, oder warum heulst du?«
Ich wische mir verschämt die Tränen aus den Augen. »Blödsinn. Wo ist Anne?«
»Keine Ahnung, sie läuft ihr Tempo, ich laufe meines – wie in jeder guten Beziehung.« Was für ein Idiot! Ich lache abfällig. Er schaut mich und Leonie an, die sich an meine Schulter drückt.
»Sei bloß lieb zu deiner Tochter.«
»Sei du vielleicht mal für die Kleine da!«
Aber Mr. Perfect dreht sich um und lässt uns in der Lobby sitzen. Ich sehe ihm kopfschüttelnd hinterher.
»Keine Sorge«, flüstert jemand hinter mir. Ich drehe mich um. Dort steht der Architekt. Seit der Schlägerei in der Therme habe ich kaum mit ihm gesprochen. »Ich kann schweigen wie ein Grab«, raunt er mir zu.
Ich sehe ihn überrascht an. Ist meine Tarnung aufgeflogen? Was weiß er? Und woher? Der Architekt sieht mir nicht in die Augen, sondern starrt verlegen auf meine Brust.
»Eines würde mich aber interessieren«, fährt er fort.
Ich drehe neugierig meinen Kopf zur Seite.
»Aber natürlich geht mich das nichts an. Ich will ja auch gar nicht indiskret sein.«
Verdammt, er weiß es. Aber woher? Hat Leonie ihr Geheimnis Obi anvertraut? Hat Anne im Schönheitsschlaf auf der Spa-Liege geplaudert? Ist ja auch egal. Wenn er weiß, was ich vorhabe, können Anne und ich eh unsere Koffer packen. Irgendwie bin ich sogar ein bisschen erleichtert, dass die ganze Sache endlich vorbei ist.
»Fragen Sie nur.«
»Wer von Ihnen beiden ist … nun ja?« Ich sehe ihm in die Augen. Darin erkenne ich einen Funken Unsicherheit.
»Wer ist was?«, frage ich.
Jetzt reißt sich der Architekt zusammen. Er deutet in die Richtung, in die Mr. Perfect verschwunden ist. »Wer von Ihnen beiden ist der Mann?« Er macht eine Pause, sammelt all seinen Mut zusammen: »Und wer ist die Frau?«
Mir entgleisen die Gesichtszüge. Das kann doch nicht wahr sein: Der Kerl glaubt, Mr. Perfect und ich wären ein Paar! Während mein Gegenüber durch meinen offenen Mund die Architektur meines Rachens analysiert, erinnere ich mich an unseren Saunatag. Der Bademeister hat davon gesprochen, dass sich »zwei Schwule« in einer Sauna vergnügt hätten. Als der Architekt kam, um uns zur Schlägerei zu holen, muss er Mr. Perfect und mich schwer beschäftigt und atemlos in der engen Sauna gesehen haben.
»Sie irren sich«, entgegne ich erleichtert.
Der Architekt lächelt. »Ist schon okay. Und, na ja, der Bruder Ihrer Frau sieht auch wirklich sehr gut aus, für einen Mann.«
Zum Glück kommt in diesem Moment Anne durch die Tür. Leonie rennt ihr mit ausgestreckten Armen entgegen, um gleich noch mal getröstet zu werden. Anne ist mächtig verschwitzt, die Haare hat sie zu einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden. Sieht gar nicht so schlecht aus.
Sie trägt Leonie, die sich an ihren Hals presst, zu uns, aber die Kleine will sich gar nicht beruhigen lassen.
»Ist irgendwas passiert?«, will Anne wissen.
Ich schüttele den Kopf. »Sie hatte sich verschluckt, und zwar richtig.«
Anne sieht ihre Tochter verwundert an.
»Schwuli!«, fordert Leonie mit Babystimme.
Der Architekt grinst. Sein Blick sagt: Hab ich es doch gewusst!
Den Schnuller habe ich vorhin natürlich nicht eingesteckt. Ich deute mit dem Zeigefinger nach oben.
Anne nickt.
»Wir müssen mal eben den Schwuli holen, sonst beruhigt sie sich gar nicht mehr.« Mir bleibt nichts anderes übrig, als ebenfalls zu nicken.
Als Anne weg ist, stehe ich plötzlich ganz allein mit dem Architekten in der Lobby. Er schlägt mir kumpelhaft auf die Schulter.
»Machen Sie sich keine Sorgen. Einige meiner besten Freunde sind schwul.«
Dann lässt er mich so schnell wie möglich wieder los und flieht zum Essen. Am besten, ich betreibe beim Oberjuror erst mal Schadensbegrenzung. Vielleicht hat der Psychologe ja auch eine Idee, wie ich dieses Gerücht aus der Welt schaffen kann.
»Wie geht es dem Freund, von dem Sie neulich erzählt hatten?«, will Ainberger wissen.
»Die Leute denken, er sei schwul.«
Er sieht mich über seine Brille hinweg an. »So ein spätes Outing kommt
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