Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
ein Hotel kaufen wollen. Ich kann nicht verstehen, warum. Spreche ja kein Russisch. Ein dickbäuchiger Mann, der offenbar Makler oder Fremdenführer ist, wird nicht müde, den Russen auf Deutsch die Vorzüge des Hotels »Zum Wilden Mannle« anzupreisen. Wusste gar nicht, dass es zum Verkauf steht. Muss ich nachher mal recherchieren.
Auf der Rückfahrt scherzen und erzählen alle miteinander, als hätten wir uns nicht geprügelt, sondern eine Art Verbrüderungsritual erlebt. Ich erfahre, dass das Wort Hooligan von der irischen Familie O’Hoolihan abstammt, die in direkter Blutlinie mit unserem irischen Clan verwandt ist. Überrascht mich nicht.
Herr Béla hat seine Hundemaske im Handgepäck und unterhält die Kinder während der Fahrt damit, dass er auf sich deutet und »Hund?« fragt. Die Kleinen antworten: »Wauwau«. Seltsamerweise empfindet der Ungar bei diesem Dialog einen ähnlich diebischen Spaß wie die Kinder. Auch Leonie scheint ihren Schock in der Kinderbetreuung längst vergessen zu haben und will die ganze Fahrt über auf Herrn Bélas Schoß sitzen.
»Sie ist so süß, ich könnte sie glatt behalten«, schwärmt er. Daraufhin hält ihm die Architektengattin einen Vortrag über die Tücken eines Adoptionsantrags, den Herr Béla nach seinem beherzten Einsatz wirklich nicht verdient hat.
Doch im Moment kann nichts meine gute Laune trüben – nicht mal Mr. Perfect, der mich im Windfang des Hotels am Arm packt und raunt: »Die Sache ist noch nicht ausgestanden.«
Beim Abendessen wechseln die Gäste fröhlich durch, als wäre das hier die »Reise nach Jerusalem« oder das postabenteuerliche Festessen bei Asterix und Obelix.
Ich erkundige mich beim Ehepaar Eisenstein nach dem Befinden ihres Dackels. Schlecht scheint es ihm nicht zu gehen, denn er liegt schon wieder scheintot zu Füßen von Herrchen und Frauchen.
»Das ist die Narkose«, erklärt Opa Eisenstein.
»Wurde er operiert?«, frage ich erstaunt.
Opa Eisenstein nickt. »Kastriert«, sagt er so traurig, als hätte ihn selbst jenes Schicksal ereilt. Mit leiser Stimme erzählt er mir, dass Stanley bei der Brotmesseraktion ihren Archibald von der Sommerwiese so unglücklich erwischt habe, dass man während der Operation mit seinen Genitalien kurzen Prozess gemacht habe.
Opa Eisenstein fixiert mich zornig. »Das hat man übrigens früher auch mit Leuten gemacht, die anderen die Frau ausspannen wollen«, sagt er nachdrücklich. Aber ich habe keine Lust auf eine weitere Schlägerei und lächle nur diplomatisch.
»Dackel aua?«, fragt Leonie.
»Das erkläre ich dir später«, entgegne ich. »Viel später.«
Direktorin Sommer, die auf der Flucht vor den ausgelassenen Iren ihre Runden durch den Speisesaal dreht, bringt mir persönlich ein Expresspaket aus meiner Heimat. Es stammt von meiner Mutter, mein alter Karateanzug. Wie passend. Am liebsten würde ich ihn sofort auspacken, aber erst mal erkundige ich mich bei Frau Sommer nach ihrer Pressefrau, schließlich habe ich gehört, das Hotel stehe zum Verkauf. Leider kann mir Frau Sommer nicht weiterhelfen, denn Adoré ist abgereist. Sie muss das »Wilde Mannle« bei irgendeinem PR-Event vertreten.
»In ein paar Tagen ist sie wieder da«, verspricht die Direktorin. »Sie hat auch nur leichtes Gepäck mitgenommen.«
Ich nicke, denn ich weiß ja genau, was Adoré eingesteckt hat: mein Herz.
Mahlzeit!
Schon wieder wache ich auf, und die Frau ist weg – diesmal Anne. Nicht, dass mich das stören würde, aber in den vergangenen Tagen haben wir uns irgendwie arrangiert – was vielleicht auch daran liegt, dass sich Leonie an den schrulligen Herrn Béla und die Kinderbetreuung gewöhnt hat. Nicht nur das: Seit dem Eklat in der Therme versteht sie sich bestens mit dem kleinen Jungen, der ihr die Gießkanne klauen wollte – und mit seinen zig Geschwistern. Natürlich sind auch Obi, Paula und Paul in die neue Kindergang aufgenommen, sehr zur Freude aller Eltern.
So haben Anne und ich jetzt auch Zeit für uns – jeder für sich. Wie es sich für eine gute falsche Beziehung gehört, lassen wir dem anderen seine Freiheiten. Mein Einsatz bei der Schlägerei hat Anne offenbar doch ein bisschen imponiert, denn sie hat mir zum Dank gestattet, bei offenem Fenster zu rauchen. Nachdem ich dreimal an der Kippe gezogen hatte, musste ich sie ausdrücken. Nicht wegen der Feuermelder – sie hat mir einfach nicht mehr geschmeckt. Außerdem wollte ich auch Leonie nicht mit nach Rauch stinkenden Fingern über den
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