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Dreibettzimmer: Roman (German Edition)

Dreibettzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Dreibettzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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davon, finde ich sein Verhalten überhaupt nicht okay!
    Der Junge zieht heftiger an der Gießkanne, Leonie wankt schon. Aber darf ich einschreiten? Ich kann nicht einfach so ein anderes Kind anfassen, da mache ich mich doch strafbar. Hilfe suchend sehe ich mich nach Anne um, aber die ist nirgends zu sehen. Der Junge nimmt die zweite Hand zur Hilfe, aber Leonie lässt nicht los, im Gegenteil: Sie zieht die Kanne zu sich zurück und schreit den Jungen so laut an, dass nun alle Eltern zu den beiden Streithähnen hinübersehen. Der kleine Ire schaut erstaunt. Jetzt ballt Leonie ihre kleine Faust und hält sie dem Jungen direkt unter die Nase.
    »Weg!«, schreit sie. »Meins!«
    Obwohl er wahrscheinlich kein Deutsch versteht, lässt der Junge die Kanne los und geht einen Schritt zurück. Leonie setzt nach, der kleine Kerl ergreift die Flucht. Ich schaue zu der Irin herüber. Seiner Mutter ist das Lächeln vergangen.
    »It’s okay«, rufe ich und recke den Daumen hoch.
    »Was ist okay?« Leonhardt und Anne setzen sich auf die Liegestühle neben uns. Ihre Körper haben eine gesunde rote Färbung.
    »Nichts Besonderes«, behaupte ich.
    Mr. Perfect nickt mir zu. »Also, ich könnte noch eine Saunarunde drehen – bist du dabei?«
    Das Saunaparadies der Furten-Therme ist laut Werbeplakat »eine der größten Saunalandschaften Österreichs«. Trotzdem finden wir keine freie Sauna. Die Finnische ist so voll besetzt wie die im Hotel, Warmluft- und Kräuterbad haben Föntemperatur, die Eukalyptussauna ist voll, in der russischen Sauna machen irgendwelche osteuropäischen Immobilienmakler Geschäfte, im Original-Dampfbad ist es Mr. Perfect zu nass, und das Softdampfbad ist uns mit fünfzig Grad zu soft, da sitzen wir ja bis morgen.
    Mr. Perfect wird immer ungeduldiger. In der Rauchsauna sieht man die Hand vor den Augen nicht. Im irisch-römischen Dampfbad haben wir Glück, weil gerade alle Iren herausströmen, als gäbe es an der Bar einen Guinnessaufguss. Doch leider füllt sich diese Sauna nach unserer Ankunft so schnell, dass wir wieder aufbrechen müssen.
    »Kann man sich denn nirgendwo mehr in Ruhe duellieren?«, fragt Mr. Perfect genervt.
    Mein Blick fällt auf die japanische Schwitzkammer, in der höchstens vier Leute Platz haben. Das Thermometer an der Tür zeigt fünfundneunzig Grad. Mr. Perfect lässt mir den Vortritt. Ich atme tief ein und aus, denke an Leonie und die Gießkanne.
    Als wir eintreten, verlässt ein lederhäutiger Mann dampfend den winzigen Raum, knickt kurz in den Knien ein und rettet sich mit letzter Kraft auf eine Liege. Seine Frau harrt noch mit geschlossenen Augen auf der oberen Bankreihe liegend aus.
    »Du hast deine Alte vergessen!«, brüllt Mr. Perfect dem Mann hinterher. »Nimm die bloß mit.« Daraufhin verlässt auch die Frau die Sauna.
    Mein Gegner dreht mir den Aufgusseimer zu. Auf dem Etikett steht »Lindenblüten«. Ich nicke schicksalsergeben.
    Doch bevor er eine Kelle Wasser auf die heißen Steine kippen kann, öffnet sich die Tür erneut. Ein japanisch aussehendes Paar schaut herein.
    »Sayonara!«, brüllt Mr. Perfect. »Und Tür zu!«
    Erschrocken gehorchen die beiden. Doch sie sind nicht die letzten Störer: Immer wieder kommen Leute herein, mal junge, mal alte, mal Pärchen, mal Männer, mal Frauen. Offenbar sitzen wir in einer Touristenattraktion. Ich fühle mich wie ein Soldat der Buckingham-Palace-Wache in seinem Häuschen. Nur dass ich mich mehr bewege, denn einer muss ja die Tür schließen.
    Mr. Perfect dagegen ist kurz davor, den Störern die Köpfe abzureißen. Als gerade zwei Frauen in den Vierzigern die Tür öffnen, schreit er ihnen so üble Schimpfwörter zu, dass ich verstehe, warum Anne die Reißverschlussgeste eingeführt hat.
    Leonhardt hat schon einen ganz roten Kopf, allerdings vor Wut, nicht vor Hitze. Denn die entsteht bei so viel Luftzug einfach nicht.
    »Ist hier noch Platz?«, fragt gerade ein schlacksiger Grunge-Teenie mit langen Haaren, der im Türrahmen steht und in aller Seelenruhe ins Halbdunkel späht.
    »Verpiss dich, du Homo!«, knurrt Mr. Perfect. »Tür zu! Von außen!«
    Noch während die Tür wieder zufällt, höre ich einen Schrei. Es ist Anne, und sie klingt verdammt wütend. Ich sehe zu Mr. Perfect hinüber. Das wäre eine gute Chance für uns beide, die ganze Sache abzublasen. Aber Mr. Perfect winkt ab.
    »Ich habe nichts gehört, du etwa?«
    Ein erneuter Schrei. Diesmal eindeutig härter und böser und so laut, dass er sogar durch die

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