Dreibettzimmer: Roman (German Edition)
ausreden und Ihrer Kasse dafür hundert Euro berechnen, aber da es ja nicht um Sie geht, mache ich es kurz: Er soll sich nicht so anstellen!«
Mir fehlen die Worte. Ihm nicht.
»Ich finde es gut, dass er so ein fürsorglicher Vater ist, und seine Tochter liebt ihn dafür ja auch innig – sie ist ihm übrigens wie aus dem Gesicht geschnitten –, aber dieser Freund von Ihnen soll bei seiner starken weiblichen Seite nicht vergessen, dass er ein Mann ist.«
Ich soll eine starke weibliche Seite haben? Genau darum geht es doch. Die habe ich eben nicht. Deshalb bin ich doch hier. Das ist ja zum Wahnsinnigwerden!
Der Psychologe fährt fort: »Wahrscheinlich gehört jener Freund zu dieser neuen Generation von völlig verweichlichten Vätern. Er sollte etwas mehr Rückgrat zeigen, dieser junge Mann. Herz hat er schon genug – und zwar ein gesundes, kräftiges, um das er sich keine Sorgen zu machen braucht.«
Der Typ hat offenbar überhaupt keine Ahnung, mit wem er hier redet. Oder über wen. Wenn der wüsste, dass ich eben kein verweichlichter Vater bin, sondern auf einer geheimen Mission für die echten Kerle, die Bauchspeck grillen statt Tofuspieße, dann würde er mir sofort eine Art Antibubsi verleihen und mir Hausverbot erteilen.
»Dieser Freund ist schon mit ganz anderen Sachen fertig geworden«, entgegne ich störrisch.
Er nickt, klappt seine Zeitschrift zusammen und steht auf. »Dann nehmen Sie sich mal ein Beispiel an ihm.« Dass Psychologen immer das letzte Wort haben müssen!
»Okay!«, rufe ich ihm hinterher. »Danke!«
Ziemlich genau eine Stunde später sitzen wir mit den anderen Gästen des Hotels in einem Bus, der so vollgestopft ist mit Schwimmflügeln, Badetieren und Luftmatratzen, dass es aussieht, als wäre die italienische Nationalmannschaft auf dem Weg zum Strand von Rimini. Der Coach ist Herr Béla. Wegen des Personalmangels konnte uns Frau Sommer keine weiteren Kinderbetreuer mitgeben.
»Was soll in einer Therme passieren?«, fragte sie. »Da wird schon keiner ertrinken.« Wahrscheinlich sind deshalb alle Eltern mitgekommen. Adoré kann ich leider nirgends entdecken.
Die Furten-Therme besteht aus einer riesigen Kuppel mit drei großen Arealen: einem Badebereich für alle, einem Kinderparadies und einer riesigen Saunalandschaft. Drei Bademeister, die in ihrer weißen Montur aus Shorts und Poloshirts aussehen wie das Team der Schwarzwaldklinik im Badeurlaub, patrouillieren zwischen den Becken, Pools und Saunen. Dabei schwingen sie ihre Trillerpfeifen wie Schlagstöcke. Wahrscheinlich sind sie auf der Jagd nach kriminellen Elementen, die ohne Badekappe schwimmen oder ins Becken pinkeln. Trotzdem lasse ich mich auf einen Arschbombencontest mit Herrn Béla und dem Architekten ein, der selbst bei seinem Siegsprung vom Fünfer keine Miene verzieht.
Danach setze ich mich ans Kinderbecken und schaue Leonie zu, die, mit Schwimmflügeln ausgerüstet, versucht, einen kleinen Wasserlauf mit ihren Förmchen zu stauen. Stanley trägt einen Bademantel, der seine Tätowierungen völlig verdeckt. Er liest ein pädagogisches Fachbuch mit dem Titel »Nein! Der unfreie Wille des Kindes«. Auch ich stöbere ein bisschen in einem seiner Elternratgeber, kann mich aber kaum konzentrieren, weil ich vor dem Duell doch ein wenig aufgeregt bin.
Um uns herum hat sich der laute irische Clan ausgebreitet. Anne ist mit Mr. Perfect in Richtung Saunalandschaft verschwunden, »zum Vorglühen«, wie er augenzwinkernd meinte. Dabei ließ er seinen linken Brustmuskel hüpfen. »Schau mal, ich kriege auch schon Herzklopfen.«
Ein irischer Junge kommt auf Leonie zu, die gerade Wasser in ihre kleine rote Gießkanne schöpft und es ins Becken schüttet, um den künstlichen Bach darin anschwellen zu lassen. Der Junge, der etwas älter als Leonie sein mag, stellt sich direkt vor sie. Leonie mustert ihn neugierig. Ehe ich reagieren kann, streckt er seine Hand aus, greift nach der Gießkanne und versucht, sie Leonie wegzunehmen. Was soll denn das? Ich sehe in Richtung der Iren, aber die scheinen vollauf mit sich selbst beschäftigt zu sein. Nur eine etwa vierzigjährige Frau mit wallender roter Mähne sitzt ohne Badekappe am Becken und trällert die Arie der Königin der Nacht aus Mozarts »Zauberflöte«. Klingt, als wäre sie eine ausgebildete Opernsängerin. Sie schaut zu uns herüber und nickt.
»It’s okay!«, ruft sie und singt weiter. Ist wahrscheinlich ihr Sohn. Offenbar macht klassische Musik doch aggressiv. Abgesehen
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