Dreifach
daß Liebe, die sich mühelos einstellt, genauso leicht verschwinden kann. Deshalb dachte ich: Sei vorsichtig, gib ihr eine Chance, Dich gern zu haben, bevor Du sie um ein »Für immer« bittest. Jetzt sind wir seit so vielen Wochen voneinander getrennt, und ich bin zu solcher Geheimniskrämerei nicht mehr fähig. Ich muß Dir einfach sagen, was Du für mich bedeutest. »Für immer« ist das, was ich will, und Du sollst es nun ruhig erfahren. Ich bin ein anderer Mensch. Das klingt abgedroschen, aber wenn es mit einem selbst geschieht, ist es überhaupt nicht abgedroschen, im Gegenteil. Das Leben sieht jetzt in vielen Punkten anders für mich aus – einige kennst Du, von anderen werde ich Dir eines Tages erzählen. Sogar dies ist anders, dieses Alleinsein an einem fremden Ort, ohne bis Montag etwas zu tun zu haben. Nicht, daß es mir sehr viel ausmachte. Aber früher hätte ich nicht einmal darüber nachgedacht, ob es mir gefällt oder nicht. Nun gibt es immer etwas, was ich lieber täte, und Du bist die Person, mit der ich es tun möchte. Doch ich muß dieses Thema vergessen; es macht mich zappelig.
Ich werde in ein paar Tagen von hier abreisen – wohin, weiß ich nicht. Am schlimmsten ist, daß ich nicht einmal weiß, wann ich Dich wiedersehe. Aber wenn es soweit ist, werde ich Dich zehn oder fünfzehn Jahre lang nicht mehr aus den Augen lassen, das kannst Du mir glauben. Nichts klingt so, wie es klingen soll. Ich möchte Dir schreiben, wie ich mich fühle, aber ich kann es nicht in Worte fassen. Du sollst wissen, wie es für mich ist, mir Dein Gesicht viele Male am Tag vorzustellen, irgendein schlankes Mädchen mit schwarzem Haar zu sehen und gegen alle Vernunft zu hoffen, daß Du es sein könntest, mir dauernd auszumalen, was Du über eine schöne Landschaft,einen Zeitungsartikel, einen kleinen Mann mit einem großen Hund oder ein hübsches Kleid sagen könntest. Du sollst wissen, daß die Sehnsucht, Dich zu berühren, meinen Körper schmerzen läßt, wenn ich allein ins Bett gehe.
Ich liebe Dich so sehr.
N.
*
Franz Pedlers Sekretärin rief Nat Dickstein am Dienstagmorgen in seinem Hotel an und verabredete mit ihm einen Termin zum Mittagessen.
Sie gingen in ein bescheidenes Restaurant in der Wilhelmstraße und bestellten Bier statt Wein; es war schließlich ein Arbeitsessen. Dickstein beherrschte seine Ungeduld – Pedler sollte um ihn werben, nicht umgekehrt. »Tja, ich glaube, daß wir Ihnen helfen können«, sagte Pedler.
Dickstein hätte am liebsten »Hurra!« geschrien, aber er verzog keine Miene.
Pedler fuhr fort: »Die Preise, die ich Ihnen jetzt nennen werde, sind vorbehaltlich. Wir brauchen einen Fünfjahresvertrag. Für die ersten zwölf Monate werden wir die Preise garantieren, danach können sie sich je nach dem Weltmarktpreisindex gewisser Rohstoffe ändern. Bei Abbestellung gilt eine Strafklausel, nach der Sie zehn Prozent des Wertes der Jahreslieferung übernehmen müssen.«
Dickstein wollte antworten: »Abgemacht!« und das Geschäft mit einem Handschlag besiegeln, aber er ermahnte sich, weiterhin seine Rolle zu spielen. »Zehn Prozent ist eine Menge.«
»Es ist nicht übermäßig viel«, widersprach Pedler. »Jedenfalls würde es uns nicht für die Verluste entschädigen, wenn Sie tatsächlich ausstiegen. Aber die Summe muß hoch genug sein, um Sie – wenn nicht sehr zwingendeUmstände vorliegen – von einem Rückzieher abzuhalten.«
»Das sehe ich ein, aber wir könnten einen kleineren Prozentsatz vereinbaren.«
Pedler hob die Schultern. »Über alles läßt sich verhandeln. Hier sind die Preise.«
Dickstein studierte die Liste. »Es ist ungefähr das, was wir uns vorgestellt haben.«
»Heißt das, daß die Sache abgemacht ist?«
Dickstein dachte: Ja, ja! Aber er sagte: »Nein, es bedeutet, daß wir meiner Ansicht nach ins Geschäft kommen können.«
Pedler strahlte. »In diesem Fall müssen wir etwas Vernünftiges trinken. Herr Ober!«
Nachdem die Getränke gebracht worden waren, hob Pedler sein Glas zu einem Trinkspruch. »Auf viele Jahre gemeinsamer Geschäfte.«
»Das meine ich auch«, antwortete Dickstein. Er setzte das Glas an den Mund und dachte: Ich habe es also wieder einmal geschafft!
*
Das Leben auf See war unbequem, aber nicht so schlimm, wie Pjotr Tyrin geglaubt hatte. In der sowjetischen Marine waren Schiffe nach dem Prinzip pausenloser harter Arbeit, strenger Disziplin und schlechter Verpflegung geführt worden. Die Coparelli war ganz anders. Der
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