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Dreifach

Titel: Dreifach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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wenig. Mit diesem Problem konnte er fertig werden.
    Ravlo schaute an ihm vorbei in den kleineren Speicher. Tyrin blickte sich um und merkte, daß der Sender deutlich zu sehen war. Die beiden Männer starrten sich an – jeder wußte, daß der andere etwas zu verbergen hatte. »Ich behalte dein Geheimnis für mich, und du meins«, sagte Tyrin.
    Ravlo verzog noch einmal das Gesicht und lachte wieder trocken und freudlos. Dann wandte er die Augen von Tyrin ab, betrachtete seinen Arm und stach die Nadel in das Fleisch.

    *Der Austausch zwischen der Coparelli und Moskau war von einer Abhörstation des amerikanischen Marinegeheimdienstes aufgefangen und aufgezeichnet worden. Da der normale KGB-Code benutzt wurde, konnte die Unterhaltung entschlüsselt werden. Aber man erfuhr nur, daß jemand an Bord eines Schiffes – man wußte nicht, welchen Schiffes – seinen Sekundärsender überprüfte und daß ein anderer, der Rostow hieß – der Name war in keiner Akte zu finden –, ihm riet, sich unauffällig zu verhalten. Niemand konnte etwas damit anfangen, deshalb legte man eine Akte mit der Aufschrift »Rostow« an, schob die Botschaft hinein und vergaß sie.

12
    A LS ER
SEINEN Zwischenbericht in Kairo beendet hatte, bat Hassan um Erlaubnis, seine Eltern in dem Flüchtlingslager in Syrien besuchen zu dürfen. Man gewährte ihm vier Tage. Er flog nach Damaskus und nahm ein Taxi zum Lager.
    Aber er besuchte seine Eltern nicht.
    Hassan zog im Lager verschiedene Erkundigungen ein, und einer der Flüchtlinge fuhr mit ihm unter Benutzung etlicher Autobuslinien nach Dara, über die jordanische Grenze und bis nach Amman. Von dort begleitete ein anderer Mann ihn mit einem weiteren Bus zum Jordan. Am Abend des zweiten Tages überquerte er, geführt von zwei Männern, die Maschinenpistolen trugen, den Fluß. Hassan trug inzwischen wie seine Begleiter ein arabisches Gewand und einen Kopfputz, aber er verlangte keine Waffe. Es waren junge Männer, deren weiche Gesichter eben erst begannen, die harten Linien von Strapazen und Grausamkeit anzunehmen. Sie bewegten sich lautlos undsicher durch das Jordantal und lenkten Hassan mit einer Berührung oder einem Flüstern; es schien, daß sie diesen Weg schon oft gegangen waren. Einmal lagen alle drei hinter einer Kaktusgruppe, während Lichter und Soldatenstimmen eine Viertelmeile vor ihnen vorbeizogen.
    Hassan empfand Hilflosigkeit und noch etwas mehr. Zuerst dachte er, dieses Gefühl habe damit zu tun, daß er diesen Burschen so vollkommen ausgeliefert war, daß sein Leben von ihrem Wissen und ihrem Mut abhing. Aber später, als sie ihn verlassen hatten und er auf einer Landstraße versuchte, mitgenommen zu werden, wurde ihm klar, daß diese Reise eine Art Rückkehr bedeutete. Seit Jahren hatte er jetzt in Europa in einer Bank gearbeitet, mit einem Auto, einem Schrank und einem Fernsehapparat in Luxemburg gelebt. Nun schritt er plötzlich wieder in Sandalen über die staubigen palästinensischen Straßen seiner Kindheit: kein Auto, kein Flugzeug; er war wieder ein Araber, ein Bauer, ein Bürger zweiter Klasse im Land seiner Geburt. Keiner seiner Reflexe würde hier funktionieren – es war nicht möglich, ein Problem zu lösen, indem man einen Telefonhörer hob, eine Kreditkarte hervorzog oder ein Taxi rief. Er fühlte sich gleichzeitig wie ein Kind, ein Bettler und ein Flüchtling.
    Hassan legte fünf Meilen zurück, ohne ein Fahrzeug zu sehen. Dann kam ein Lastwagen, der Obst geladen hatte, vorbei und hielt ein paar Meter vor ihm an; der Motor hustete ungesund und qualmte. Hassan lief hinter dem Lkw her.
    »Nach Nablus?« rief er. »Steigen Sie ein.«
    Der Fahrer war ein schwerer Mann, dessen Arme vor Muskeln strotzten, während er den Lastwagen mit Höchstgeschwindigkeit um die Kurven hievte. Er rauchte ständig. Da er in der Mitte der Straße fuhr und nie die Bremse benutzte, mußte er sicher sein, daß ihm die ganzeNacht hindurch kein anderes Fahrzeug begegnen würde. Hassan hätte etwas Schlaf brauchen können, doch der Fahrer wollte sich unterhalten. Er erzählte, daß die Juden gute Herren seien, daß das Geschäft seit der Besetzung Westjordaniens blühe, daß das Land aber natürlich eines Tages frei sein müsse. Zweifellos war mehr als die Hälfte von dem, was er sagte, unehrlich, aber Hassan wußte nicht, welche Hälfte.
    Sie erreichten Nablus in der kühlen, wohltuenden Morgendämmerung; die Morgensonne erhob sich hinter den Hügeln, aber die Stadt schlief noch. Der Lastwagen

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