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Dreifach

Titel: Dreifach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Yasif Hassan ein anderer Mensch gewesen: ein wohlhabender, fast aristokratischer junger Araber, dem die Welt zu Füßen lag. Er war der Auffassung gewesen, zu jeder Leistung fähig zu sein. Diese Einstellung hatte ihm immer wieder geholfen. Ohne die geringsten Bedenken hatte er in England, einem ihm fremden Land, studiert; und er hatte in die dortige Gesellschaft Eingang gefunden, ohne sich darum zu kümmern oder sich auch nur zu fragen, was man von ihm halten mochte.
    Sogar damals hatte es Zeiten gegeben, in denen er lernen mußte, aber auch das war ihm leichtgefallen. Einmal hatte ihn ein Kommilitone, irgendein Viscount, zum Polospielen eingeladen. Hassan hatte nie vorher Polo gespielt. Er hatte sich nach den Regeln erkundigt, den anderen eine Weile zugesehen, darauf geachtet, wie sie die Schläger hielten, wie sie den Ball vorwärtstrieben, wie sie Pässe schlugen und warum. Dann hatte er sich ihnen angeschlossen. Zwar ging er ungeschickt mit dem Schläger um, aber er konnte reiten wie der Wind: Er spielte nicht schlecht, das Match machte ihm Spaß, und seine Mannschaft gewann.
    Heute, im Jahre 1968, sagte er sich: Ich kann alles schaffen, aber wem soll ich nacheifern?
    Die Antwort lag auf der Hand: David Rostow.
    Rostow war unabhängig, selbstbewußt, fähig, brillant. Er konnte Dickstein finden, sogar wenn er anscheinend ratlos war, keine Anhaltspunkte hatte und in einer Sackgasse steckte. Zweimal war es ihm gelungen. Hassan erinnerte sich:
    Frage: Warum ist Dickstein in Luxemburg?
    Also, was wissen wir über Luxemburg? Was gibt es hier?Die Börse, die Banken, den Europarat, Euratom – Euratom!
    Frage: Dickstein ist verschwunden – wohin könnte er gereist sein?
    Keine Ahnung.
    Frage: Aber wen kennen wir, den auch er kennt?
    Nur Professor Ashford in Oxford – Oxford!
    Rostows Methode war, Informationssplitter zusammenzusetzen – beliebige Informationen, wie banal sie auch sein mochten –, um sich dem Ziel zu nähern.
    Die Schwierigkeit bestand darin, daß sie offenbar alle ihre Informationen bereits genutzt hatten.
    Also brauche ich mehr Material, dachte Hassan; ich kann alles schaffen.
    Er zermarterte sich das Hirn nach all den Einzelheiten, deren er sich aus ihrer gemeinsamen Zeit in Oxford entsann. Dickstein war im Krieg gewesen, er spielte Schach, seine Kleidung war schäbig ... Er hatte eine Mutter.
    Aber sie war gestorben.
    Hassan war nie Brüdern oder Schwestern, überhaupt keinen Verwandten Dicksteins begegnet. Es war alles so lange her, und sogar damals hatten sie sich nicht sehr nahegestanden.
    Doch es gab jemanden, der etwas mehr über Dickstein wissen könnte: Professor Ashford.
    In seiner Verzweiflung kehrte Yasif Hassan nach Oxford zurück.
    Während der ganzen Reise – im Flugzeug von Kairo aus, im Taxi vom Londoner Flughafen zur Paddington Station, im Zug nach Oxford und im Taxi zu dem kleinen grünweißen Haus am Fluß – beschäftigte er sich in Gedanken mit Ashford. Im Grunde verachtete er den Professor. In seiner Jugend mochte Ashford ein Abenteurer gewesen sein, aber er war zu einem schwachen alten Mann, einem politischen Dilettanten, einem Akademiker geworden, dernicht einmal seine eigene Frau an sich binden konnte. Es war unmöglich, einen alten Hahnrei zu respektieren – und die Tatsache, daß die Engländer eine andere Mentalität hatten, vergrößerte Hassans Verachtung nur noch.
    Er fürchtete, daß Ashfords Schwäche, zusammen mit einer gewissen Loyalität gegenüber Dickstein als seinem früheren Freund und Studenten, ihn vor einer Einmischung zurückschrecken lassen könnte.
    Hassan fragte sich, ob er versuchen sollte, Dicksteins Judentum auszunutzen. Er wußte aus seiner Zeit in Oxford, daß der hartnäckigste Antisemitismus Englands jener der Oberklassen ist: Die Londoner Klubs, die Juden immer noch ausschlossen, lagen im West End, nicht im East End. Aber Ashfords Fall lag anders. Er liebte den Nahen Osten, und seine proarabische Haltung war ethisch, nicht rassisch begründet.
    Nein, ein solches Vorgehen wäre ein Fehler.
    Am Ende entschied er sich für die direkte Methode. Er würde Ashford erzählen, weshalb er Dickstein finden mußte, und hoffen, daß der Professor bereit sein würde, ihm aus den gleichen Motiven heraus zu helfen.

    *

    Als sie einander die Hände geschüttelt und den Sherry eingeschenkt hatten, nahmen sie im Garten Platz. Ashford fragte: »Was hat Sie so rasch wieder nach England zurückgeführt?«
    Hassan sagte die Wahrheit. »Ich bin auf der Jagd

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