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Dreifach

Titel: Dreifach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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geschlafen. Von dem Moment an, als ihr Vater so gelassen über den Mord an Nathaniel gesprochen hatte, war sie auf der Flucht gewesen: auf der Flucht vor der schrecklichen Wahrheit über Hassan und ihren Vater in die Geborgenheit von Dicksteins drahtigen Armen. Und wie in einem Alptraum schien ihr Ziel genausoschnell zurückzuweichen, wie sie sich ihm näherte.
    »Warum sagen Sie mir nicht, wohin wir fahren?« fragte sie Cortone.
    »Jetzt kann ich es wohl riskieren. Nat bat mich, ihmein Haus zur Verfügung zu stellen, das einen Anlegeplatz hat und Schutz vor Schnüfflern bietet. Dorthin fahren wir.«
    Suzas Herz schlug schneller. »Wie weit?«
    »Ein paar Meilen.«
    Eine Minute später sagte Cortone: »Wir werden es schon schaffen. Vorsichtig, oder wollen Sie unterwegs sterben?«
    Suza merkte, daß sie unbewußt Gas gegeben hatte. Sie verminderte das Tempo, aber sie konnte ihre Gedanken nicht im Zaum halten. Jetzt gleich würde sie ihn sehen, sein Gesicht berühren, ihn zur Begrüßung küssen, seine Hände auf den Schultern fühlen –
    »Biegen Sie dort rechts ein.«
    Sie fuhr durch ein offenes Tor und über einen kurzen Kiesweg, der von Unkraut überwachsen war, zu der Ruine einer großen Villa aus weißem Stein. Als sie vor dem Säulengang anhielt, erwartete Suza, daß Nathaniel herauslaufen würde, um sie zu begrüßen.
    Es rührte sich jedoch nichts. Kein Lebenszeichen von Nat!
    Sie stiegen aus dem Auto und kletterten über die geborstene Steintreppe zum Vordereingang. Die riesige Holztür war nicht verschlossen. Suza öffnete sie, und die beiden traten ein.
    Vor ihnen lag eine große Diele mit einem Boden aus zertrümmertem Marmor. Die Decke sackte durch, und die Wände waren von feuchten Flecken übersät. In der Mitte der Diele lag ein gewaltiger Kronleuchter, der sich wie ein toter Adler auf dem Boden ausbreitete.
    Cortone rief: »Hallo, ist hier jemand?«
    Keine Antwort.
    Suza dachte: Es ist ein riesiges Haus, er muß hier sein. Wahrscheinlich hört er uns nicht, weil er im Garten ist. Sie durchquerten die Diele und umrundeten den Kronleuchter. Dann kamen sie in einen höhlenartigen, nackten Salon, in dem ihre Schritte laut widerhallten, undgingen durch die glaslosen Fenstertüren im hinteren Teil des Gebäudes wieder hinaus.
    Der schmale Garten reichte bis zum Klippenrand. Sie durchschritten ihn und sahen eine lange Treppe, die in den Felsen gehauen war und in Serpentinen zum Meer hinabführte.
    Niemand war zu sehen.
    Er ist nicht hier, dachte Suza. Diesmal habe ich zu Weihnachten wirklich Steine bekommen.
    »Dort.« Cortone deutete mit seiner dicklichen Hand aufs Meer hinaus. Suza erkannte ein Schiff und ein Motorboot. Das Motorboot näherte sich ihnen rasch, indem es die Wellen übersprang und das Wasser mit seinem scharfen Bug durchpflügte; es hatte nur einen Mann an Bord. Das Schiff glitt aus der Bucht und zog eine breite Kielwasserspur hinter sich her.
    »Scheint, daß wir ihn verpaßt haben«, sagte Cortone.
    Suza rannte die Stufen hinunter, schrie und winkte mit aller Kraft, um die Menschen auf dem Schiff auf sich aufmerksam zu machen. Doch sie wußte, daß es unmöglich war – das Schiff hatte sich schon zu weit entfernt. Sie rutschte auf den Steinen aus, fiel hin und begann zu weinen.
    Cortone lief hinter ihr her, sein schwammiger Körper ruckte förmlich über die Stufen. »Es hat keinen Zweck.« Er half ihr auf die Beine.
    »Das Motorboot«, sagte sie verzweifelt. »Vielleicht können wir das Motorboot nehmen und das Schiff einholen –«
    »Ausgeschlossen. Bis das Boot hier ist, wird das Schiff viel zu weit entfernt sein und auch viel schneller fahren, als das Boot es könnte.«
    Er führte sie wieder die Stufen hinauf. Sie waren eine beträchtliche Strecke gelaufen, und der Aufstieg machte ihm sehr zu schaffen. Suza war so elend zumute, daß sie es kaum bemerkte.
    Sie konnte keinen Gedanken fassen, während sie den Hang hinaufgingen und ins Haus zurückkehrten.
    »Muß mich hinsetzen«, sagte Cortone in der Mitte des Salons.
    Suza betrachtete ihn. Er atmete schwer, und sein Gesicht war grau und schweißbedeckt. Plötzlich wurde ihr klar, daß er seinem überlasteten Körper zuviel abverlangt hatte. Für einen Moment vergaß sie ihre schreckliche Enttäuschung. »Die Treppe«, sagte sie.
    Sie betraten die verwüstete Diele. Suza führte Cortone zu der breiten gewundenen Treppe und ließ ihn auf der zweiten Stufe Platz nehmen. Er ließ sich wuchtig zu Boden sinken, schloß die Augen und

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