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Dreifach

Titel: Dreifach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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hatte mehr Fertigkeiten, aber nicht mehr Weisheit erworben. Ihm schien sogar, daß er mehr wußte und weniger verstand.
    Aber jetzt war er irgendwie glücklicher. Er wußte, wer er war und was er zu tun hatte; er hatte herausgefunden, welchen Zweck das Leben hatte, und gemerkt, daß er ihm gewachsen war, obwohl seine Ansichten sich seit 1948 kaum verändert hatten, war er nun überzeugter davon. Doch der junge Dickstein hatte sich gewisse andere Arten des Glücks erhofft, die ihm bisher nicht beschieden gewesen waren; im Laufe der Jahre war die Möglichkeit immer geringer geworden. Dieser Ort erinnerte ihn wehmütig an all diese Dinge. Vor allem dieses Haus.
    Dickstein stand davor und betrachtete es. Es war dasselbe geblieben: Immer noch war es grün und weiß bemalt, immer noch ähnelte sein Vorgarten einem Dschungel. Er öffnete die Pforte, schritt über den Pfad zur Tür und klopfte an.
    Dies war keineswegs klug. Ashford könnte fortgezogen, gestorben oder einfach im Urlaub sein. Dickstein hätte vielleicht die Universität anrufen sollen, um sich zu vergewissern. Aber wenn die Nachforschung unauffällig und diskret sein sollte, war es nötig, das Risiko unnötigen Zeitaufwands auf sich zu nehmen. Außerdem hatte er sich darauf gefreut, das alte Haus nach so vielen Jahren wiederzusehen.
    Die Tür öffnete sich, und eine Frau sagte: »Ja?«
    Ein Kälteschauer durchfuhr Dickstein. Sein Unterkiefer senkte sich. Er taumelte leicht und stützte sich mit einer Hand gegen die Mauer. Falten des Erstaunens durchfurchten seine Stirn.
    Sie war es wirklich, und sie war immer noch 25 Jahre alt. Mit ungläubiger Stimme murmelte Dickstein: »Eila ...?«

    *Sie starrte den sonderbaren kleinen Mann auf der Schwelle an. Mit seiner runden Brille, dem alten, grauen Anzug und dem borstigen, kurzen Haar sah er wie ein Universitätsdozent aus. Ihm schien nichts gefehlt zu haben, als sie die Tür öffnete, aber sobald er die Augen auf sie gerichtet hatte, war er fahl im Gesicht geworden. Etwas Ähnliches war ihr schon einmal passiert, während sie die High Street hinunterging. Ein netter alter Herr hatte sie gemustert, den Hut gelüftet, sie angehalten und gesagt: »Entschuldigen Sie, ich weiß, daß wir einander nicht vorgestellt wurden, aber ...«
    Hier handelte es sich offensichtlich um das gleiche Phänomen. Deshalb erklärte sie: »Ich bin nicht Eila, sondern Suza.«
    »Suza!« wiederholte der Fremde.
    »Man sagt, daß ich genauso aussehe wie meine Mutter, als sie in meinem Alter war. Sie kannten sie offenbar. Wollen Sie hereinkommen.«
    Der Mann blieb stehen, wo er war. Er schien sich von seinem Schock zu erholen, aber er war immer noch bleich. »Ich bin Nat Dickstein«, sagte er mit einem schwachen Lächeln.
    »Sehr angenehm. Wollen Sie nicht ...« Dann wurde sie sich des Namens bewußt, den er genannt hatte. Nun war es an ihr, überrascht zu sein. »Mister Dickstein!« Ihre Stimme hob sich so sehr, daß sie beinahe schrill klang. Sie warf die Arme um seinen Hals und küßte ihn.
    »Sie erinnern sich also an mich«, meinte er, als sie ihn losgelassen hatte. Er wirkte erfreut und verlegen.
    »Natürlich! Sie haben Hezekiah immer gestreichelt. Außer Ihnen konnte niemand verstehen, was er sagte.«
    Er lächelte wieder so wie vorher. »Hezekiah, der Kater ... Ich hatte ihn ganz vergessen.«
    »Aber kommen Sie doch herein!«
    Er trat an ihr vorbei ins Haus, und sie schloß die Tür.Dann nahm sie ihn am Arm und führte ihn durch den quadratischen Flur. »Wunderbar, daß Sie hier sind. Gehen wir in die Küche. Ich habe gerade in der Küche herumgemurkst, um einen Kuchen zu backen.«
    Sie schob ihm einen Hocker hin. Er setzte sich, blickte sich langsam um und nickte leicht, als er den alten Küchentisch, den Kamin und die Aussicht durch das Fenster wiedererkannte.
    »Lassen Sie uns Kaffee trinken«, schlug Suza vor. »Oder würden Sie Tee vorziehen?«
    »Kaffee, bitte. Vielen Dank.«
    »Ich nehme an, daß Sie Daddy sehen wollen. Er unterrichtet heute vormittag, aber er kommt bald zum Lunch.« Sie schüttete Kaffeebohnen in eine Handmühle.
    »Und Ihre Mutter?«
    »Sie starb vor vierzehn Jahren. Krebs.« Suza schaute ihn an und erwartete das obligatorische »Tut mir leid.« Die Worte blieben aus, aber der Gedanke zeichnete sich in seiner Miene ab. Aus irgendeinem Grunde mochte sie ihn deshalb lieber. Sie mahlte die Bohnen, und der Lärm überbrückte das Schweigen.
    Als sie fertig war, sagte Dickstein: »Professor Ashford unterrichtet

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