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Dreifach

Titel: Dreifach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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also noch ... Ich habe gerade versucht, mir sein Alter auszurechnen.«
    »Fünfundsechzig. Er gibt nicht mehr viele Stunden.« Fünfundsechzig klang uralt, aber ihr Vater schien nicht alt. Sein Geist war immer noch messerscharf. Sie überlegte, wovon Dickstein leben mochte. »Sind Sie nicht nach Palästina ausgewandert?«
    »Nach Israel. Ich lebe in einem Kibbuz. Dort arbeite ich in Weingärten und mache Wein.«
    Israel. In diesem Haus wurde es immer Palästina genannt. Wie würde ihr Vater auf diesen alten Freund reagieren, der nun all das repräsentierte, was er ablehnte? Suza kannte die Antwort: Es würde keine Rolle spielen, denn ihr Vater war ein Theoretiker, er trieb keine praktischePolitik. Sie fragte sich, warum Dickstein gekommen war. »Haben Sie Urlaub?«
    »Ich bin geschäftlich hier. Wir meinen, daß unser Wein jetzt gut genug ist, um nach Europa exportiert zu werden.«
    »Wie schön. Und Sie verkaufen ihn?«
    »Ich mache Möglichkeiten ausfindig. Erzählen Sie von sich selbst. Ich wette, daß Sie kein Professor sind.«
    Die Bemerkung verärgerte sie ein wenig, und sie fühlte, daß sie unterhalb der Ohren leicht errötet war. Sie wollte nicht, daß dieser Mann sie für nicht klug genug hielt, um an einer Universität zu lehren. »Wie kommen Sie darauf?« fragte sie kühl.
    »Sie sind so ... herzlich.« Dickstein wandte den Blick ab, als habe er seine Worte sofort bedauert. »Und Sie sind auch viel zu jung.« Sie hatte ihn falsch eingeschätzt. Es war nicht herablassend gewesen. »Ich habe die Begabung meines Vaters für Sprachen, aber nicht seine akademische Einstellung. Deshalb bin ich Stewardeß.« Stimmte es wirklich, daß sie keine akademische Einstellung hatte, daß sie nicht intellektuell genug war, um zu unterrichten? Suza goß kochendes Wasser in einen Filter, und das Aroma von Kaffee füllte das Zimmer. Sie wußte nicht, was sie als nächstes sagen sollte. Dickstein war tief in Gedanken versunken und starrte sie offen an. Seine Augen waren groß und dunkelbraun. Plötzlich fühlte sie Schüchternheit, was höchst ungewöhnlich war. Sie verriet es ihm.
    »Schüchtern? Das liegt daran, daß ich Sie angesehen habe, als wären Sie ein Gemälde oder so. Ich versuche, mich an die Tatsache zu gewöhnen, daß Sie nicht Eila, sondern das kleine Mädchen mit dem alten grauen Kater sind.«
    »Hezekiah ist eingegangen. Es muß bald nach Ihrer Abreise gewesen sein.«
    »Vieles hat sich verändert.«
    »Waren Sie ein guter Freund meiner Eltern?«
    »Ich war einer der Studenten Ihres Vaters, und ich bewunderte Ihre Mutter aus der Ferne. Eila ...« Wieder blickte er zur Seite, als wolle er vorgeben, daß ein anderer redete. »Sie war nicht nur schön – sie war eindrucksvoll .«
    Suza blickte ihm ins Gesicht. Sie dachte: Du hast sie geliebt. Der Gedanke kam unerwartet, intuitiv, und sie hatte sofort den Verdacht, sich getäuscht zu haben. Immerhin würde es die Stärke seiner Reaktion erklären, als sie ihm die Tür geöffnet hatte. »Meine Mutter gehörte zu den ersten Hippies – wußten Sie das?«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Sie wollte frei sein. Deshalb rebellierte sie gegen die Beschränkungen, die arabischen Frauen auferlegt werden, obwohl sie aus einer wohlhabenden, liberalen Familie stammte. Sie heiratete meinen Vater, um dem Nahen Osten zu entkommen. Natürlich merkte sie bald, daß die westliche Gesellschaft ihre eigenen Methoden hat, um Frauen zu unterdrücken. Also machte sie sich daran, die meisten Konventionen zu brechen.«
    Suza erinnerte sich wieder daran, wie sie gemerkt hatte, daß ihre Mutter Liebhaber hatte; damals war sie gerade selbst zur Frau gereift und begann zu ahnen, was Leidenschaft bedeutet. Natürlich war sie schockiert gewesen, aber dieses Gefühl blieb jetzt, da sie jene Zeit in ihr Bewußtsein zurückholte, aus.
    »Deshalb war sie ein Hippie?« fragte Dickstein.
    »Hippies glauben an freie Liebe.«
    »Ich verstehe.«
    Seine Reaktion darauf zeigte ihr, daß Nat Dickstein kein Liebhaber ihrer Mutter gewesen war. Das machte sie ohne jeden Grund traurig. »Erzählen Sie mir von Ihren Eltern.« Sie sprach mit ihm, als wären sie gleichaltrig.
    »Nur, wenn Sie den Kaffee eingießen.«
    Sie lachte. »Ich hab’s ganz vergessen.«
    »Mein Vater war Schuhmacher«, begann Dickstein. »Erkonnte Schuhe flicken, aber er verstand nicht viel vom Geschäft. Trotzdem, die dreißiger Jahre waren eine gute Zeit für die Schuster im Osten von London. Die Leute konnten sich keine neuen Stiefel

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