Dreikönigsmord (German Edition)
meiner Zeit würde mir dafür ein Sondereinsatzkommando zur Verfügung stehen. Also Männer, die eine Art Panzer tragen und Helme auf dem Kopf. Wir könnten Blendgranaten und Tränengas benutzen, um uns einen Weg in das Gebäude zu bahnen und unsere Gegner außer Gefecht zu setzen.« Aus Hilflosigkeit wurde Lutz immer wütender. »Ach Scheiße, und alles, was wir hier haben, sind Messer und Schwerter. Noch nicht einmal so etwas wie ein lumpiges Vorderladergewehr ist bisher erfunden.«
»Junger Mann«, die Äbtissin klopfte energisch auf den Tisch, »lasst das Fluchen in meiner Gegenwart! Was genau sind denn diese Blendgranaten und das Tränengas?«
Lutz stöhnte frustriert. »Na ja, Blendgranaten sind so eine Art gewaltiger Blitz. Um es in Eurer Sprache zu sagen … Und Tränengas brennt wie Zwiebeln in den Augen. Nur viel stärker.«
»Als ob man gemahlenen Pfeffer in die Augen bekäme?«, erkundigte sich die Äbtissin interessiert.
»Ja, so ähnlich …«
Sie versank wieder in Gedanken, dann hellte sich ihr Gesicht auf. »Nun, mit einer Art Blitz könnte ich vielleicht dienen.«
Lutz seufzte. »Ehrwürdige Mutter, bei allem Respekt, es wäre natürlich schön, wenn Ihr ein Wunder bewirken könntet, aber ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass Euch das gelingen wird.«
»Von einem Wunder spreche ich nicht.« Äbtissin Agneta winkte ab. »Vor einigen Wochen kam ein Händler in unser Kloster, der ferne Länder bereist hatte. Er führte eine Holztruhe mit sich, die mit langen, stabförmigen Dingen gefüllt war. Er meinte, wenn man diese Stäbe anzündete, würden sie zum Himmel aufsteigen und sich in Blitze verwandeln. Der Händler hielt diese Dinge für verflucht. Einige seiner Reisegefährten waren gestorben, seit er sie in seinem Besitz hatte, und er selbst war krank geworden. Deshalb ließ er jene Stäbe hier.« Und nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Das Land, das er bereiste, war, glaube ich, China …« Ihre bernsteinfarbenen Augen blinzelten. »Nun, ich gehe eigentlich davon aus, dass nur sehr wenige Dinge tatsächlich verflucht sind. Meistens macht nur die Angst die Menschen das glauben. Deshalb behielt ich jene Kiste und ihren Inhalt.«
Anfangs hatte Lutz ihr verständnislos zugehört. Doch nun sagte er langsam: »Ich schätze, Ihr sprecht von Feuerwerkskörpern. Kann ich diese Stäbe einmal sehen?« Eine vage Idee begann, sich in ihm zu formen.
Die Truhe mit den Feuerwerkskörpern befand sich in der Scheune, in der Lutz und Jo Anselms Leichnam untersucht hatten. Während die Äbtissin das Schloss an der Truhe mit einem kleinen Schlüssel öffnete, hoffte er, dass die Raketen nicht im Laufe der Wochen feucht geworden waren. Doch als er einen der Stäbe in die Hand nahm, stellte er zu seiner Erleichterung fest, dass sich das verdickte Ende – dort, wo unter einem bräunlichen Papier das Schwarzpulver angebracht war – trocken anfühlte.
Draußen vor der Scheune warteten bereits alle Nonnen des Klosters in der nasskalten Nacht. Schwester Constantia hatte einen Feuertopf mitgebracht. Lutz hielt einen Kienspan in die Glut. Mit der Flamme entzündete er danach das Papierband, das an der Spitze der Rakete hing. Das Papier begann zu brennen, Schwefelgeruch drang in seine Nase. Er schleuderte den Feuerwerkskörper hoch in die Luft. Erst einmal geschah nichts. Dann stob ein goldgelber Funkenregen auf und verglomm, nachdem er noch eine Schleife gebildet hatte, am diesigen Nachthimmel.
Lutz rieb sich das Kinn. Na ja, das war aber eine Silvesterrakete der billigsten Sorte gewesen.
»Was für ein Wunder«, hörte er Schwester Constantia neben sich murmeln.
»Ja, ein Wunder«, erscholl es rings um ihn. Manche Nonnen bekreuzigten sich, einige hatten sich sogar in den Schnee gekniet und starrten ergriffen in den Nebel.
»Wirklich beeindruckend!« Äbtissin Agneta stützte sich mit beiden Händen auf ihren Stock. Im Licht der Fackeln leuchteten ihre Augen wie die eines Kindes.
»Ähm, findet Ihr tatsächlich?« Lutz kam zu dem Schluss, es wäre taktlos, ihr zu sagen, dass im 21. Jahrhundert noch nicht einmal ein Dreijähriger von diesem Feuerwerkskörper zum Staunen gebracht würde.
»Ja, ein Zeichen für die Schöpfungsmacht Gottes.«
Lutz räusperte sich. »Es ist gut, dass Ihr das so seht. Denn ich dachte, die Feuerwerkskörper ließen sich vielleicht als eine Art Blendgranaten vor dem Bischofspalast einsetzen, um Verwirrung zwischen den Soldaten zu stiften.«
»Diese Wirkung werdet Ihr ganz
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