Dreikönigsmord (German Edition)
Stimme half Jo, ihre Fassung wiederzugewinnen. Sie wollte ihm gegenüber keine Schwäche zeigen. »Und warum habt Ihr Pater Lutger umgebracht? Wie passte er in Euren Plan?«
»Er schnüffelte zu viel herum. In seiner langweiligen, verklemmten Rechtgläubigkeit interessierte er sich zu sehr für meinen Medicus. Er hielt ihn für einen Heiden und verdächtigte ihn, Schwarze Magie zu praktizieren. Womit er natürlich nicht unrecht hatte«, erklärte Leonard gelassen. »Jedenfalls hätte es meine Pläne empfindlich gestört, wenn der Pater Gregorius vor ein Inquisitionsgericht gebracht hätte. Und ich hatte noch einen weiteren Grund, ihn zu töten. Denn dadurch hatte ich die Möglichkeit, Euch als Hexe jagen zu lassen und Euch vor Euren Verfolgern zu retten. Ach, Ihr hättet sehen sollen, wie Euer Antlitz in Dankbarkeit erstrahlte, als Ihr mich erkanntet.« Er lachte auf.
Jo zitterte erneut. Jetzt vor Selbstverachtung. Ja, wie ein dummes, gutgläubiges Schaf war sie ihm in die Falle gegangen.
»Durch den Streit, den Ihr mit Pater Lutger vor der Sebastianskirche hattet, habt Ihr mir jedenfalls wunderbar in die Hände gespielt.« Leonard betrachtete sie wieder nachdenklich. »Sagt, Eure beeindruckende Art zu kämpfen, die die Leute für Hexerei halten … Ich habe gelegentlich Händler davon reden hören. Stammt sie tatsächlich aus dem Osten?«
Jo schwieg.
»Ich hätte Euch gerne einmal auf diese Weise kämpfen gesehen.« Leonard beugte sich vor. Er tauchte einen Finger in das gerinnende Blut auf ihrer Wange und strich damit langsam ihren Hals hinab. Sie schauderte unter seiner Berührung. »Ihr seid schön … schön und faszinierend …«
Oh, Gott, er wollte doch nicht etwa … Jo versteifte sich.
Wieder gelang es ihm spielend, ihre Gedanken zu lesen. Er winkte ab. » Davor müsst Ihr keine Angst haben. Zu einem anderen Zeitpunkt, ja, da hätte ich Euch genommen. Aber vor jener Messe am Dreikönigstag muss ich meine Kräfte sammeln. Das bedeutet, fasten und enthaltsam sein.«
Noch immer saß er vornübergebeugt. Der Knauf der Waffe in seinem Gürtel ragte in ihre Richtung. Sie würde nur einen Versuch haben … Jo schnellte vor. Ihre gefesselten Hände berührten das Metall. Doch ehe sie ihre Finger darumlegen konnte, hatte Leonard sie schon mit einem Wutschrei gepackt und zurückgeschleudert. Ihr Gesicht knallte gegen das hölzerne Kopfende des Betts.
Jo hörte ein hässliches Krachen, während sich ihr der Schmerz wie ein gleißender Blitz ins Gehirn bohrte. Wenn meine Nase vorhin noch nicht gebrochen war, ist sie es jetzt, dachte sie. Dann wurde ihr schwarz vor Augen.
Lutz sprang von der Mauer in den verschneiten Küchengarten des Klosters. Die Sonne stand schon tief im Westen. Vor dem rötlich überhauchten Himmel hoben sich die Silhouette der Kirche mit ihren beiden gedrungenen Türmen sowie die Dächer der Wohn- und Wirtschaftsgebäude wie ein schwarzer Scherenschnitt ab. Er hatte es geschafft, die Stadt ohne Schwierigkeiten zu verlassen. Danach war er einen weiten Umweg gelaufen und hatte mehrmals die Richtung gewechselt, um etwaige Verfolger abzuschütteln.
Während er auf eine stämmige Schwester zulief, die am anderen Ende des Gartens nach Gemüse im Schnee grub, fragte er sich wieder einmal, was der Bischof mit seinem hinterhältigen Spiel bezweckte und wie es Jo wohl gehen mochte. Auch wenn sie ihn für diesen Gedanken steinigen würde, wünschte er, er wäre an ihrer Stelle gewesen. Er war zwar wahrhaftig nicht Luke Skywalker. Trotzdem war es auf jeden Fall eher ein Männerding, sich mit einem undurchsichtigen Bösewicht herumzuschlagen. Ach, verdammt, in was für einen Schlamassel waren sie da nur hineingeraten? Allmählich sehnte er sich nach einer ruhigen, soliden, langweiligen Polizei-Routinearbeit.
Lutz hatte eben erkannt, dass es sich bei der kräftigen Benediktinerin um Schwester Constantia, die Köchin, handelte, als sie auch ihn entdeckte. Sie sprang überraschend behände auf und ergriff ihren kleinen Spaten mit beiden Händen wie eine Streitaxt. »Bleibt mir vom Leib«, schrie sie, »sonst ziehe ich Euch eins über.«
Ach, herrje, er hatte ja immer noch seine Kapuze auf dem Kopf. Lutz streifte die Haube ab und hob die Hände. »Schwester Constantia«, sagte er beruhigend. »Erkennt Ihr mich denn nicht wieder? Anselm … Euer wunderbares Plätzchenrezept …«
»Ach, Ihr seid es«, sie schnaufte immer noch etwas aufgebracht, »sich aber auch anzuschleichen, dass einem fast das Herz
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