Dreikönigsmord (German Edition)
unvermittelt sagen.
»Wie bitte?« Er zuckte zusammen.
»Ich meinte, dass ich gerne einen Spiegel hätte.« Mit gerunzelter Stirn blickte sie sich in der Kammer um. »Dieses Ding da würde es aber vielleicht auch tun.« Sie deutete auf eine Bronzeschüssel, die auf einer Truhe in der Zimmerecke stand.
»Na ja, ich weiß nicht …«
»Nun gib schon her. Sonst hole ich sie mir selbst.« Da Jo tatsächlich Anstalten machte, aus dem Bett zu steigen, reichte Lutz ihr das Gefäß. Besorgt sah er ihr dabei zu, wie sie die Schüssel umdrehte und ihr Spiegelbild in dem glatten, glänzenden Boden musterte.
»Oh, Gott«, brachte Jo schließlich erstickt heraus, »meine Nase ist ja ganz schief, dieser Mistkerl …«
»Das gibt sich bestimmt wieder. Und wenn nicht – also ich finde schiefe Nasen eigentlich ganz apart.«
»Das tust du nicht.«
»Doch, ehrlich!« Er hob die rechte Hand wie zum Schwur. »Zum Beispiel finde ich Ellen Barkin ganz klasse.«
»Die hat doch keine schiefe Nase.«
»Hat sie sehr wohl. Wenn wir wieder in der Gegenwart sind, sollten wir uns einmal zu einem DVD-Abend treffen und uns The Big Easy ansehen.« Der nebenbei , wie Lutz einfiel, einige sehr heiße Sexszenen zu bieten hat . Er hüstelte verlegen. Aber Jo schien dies nicht mit dem Film zu assoziieren. Stattdessen sagte sie ungeduldig: »So, und jetzt möchte ich mit Äbtissin Agneta reden. Ich will endlich wissen, warum wir immer noch hier feststecken.«
»Soll ich sie rufen?« Lutz stand auf.
»Nein, lass uns lieber zu ihr gehen. Ach, und könntest du mir vorher bitte jemanden mit heißem Wasser und sauberer Kleidung schicken? Deine Seife liegt ja leider bei mir zu Hause.« Jo stockte erschrocken. »O Gott, wie ist es denn Katrein und den anderen Bediensteten ergangen? Der Mob hat sie doch hoffentlich nicht auch angegriffen?«
»Keine Sorge.« Lutz schüttelte den Kopf. »Ihnen allen geht es gut. Deine Schwäger haben schnell gehandelt und in ihrem eigenen Interesse das Haus und die Dienerschaft schützen lassen.« Er verneigte sich wieder leicht. »So, und nun verschwindet der Zimmerservice und wird sich umgehend um die Erledigung deiner Aufträge kümmern.«
Äbtissin Agneta empfing sie in einer Art Wohnzimmer, wo Felle und Teppiche auf den Steinfliesen lagen und drei mit roten Samtkissen gepolsterte Stühle vor einem prasselnden Kaminfeuer standen. Jo fragte sich flüchtig, ob der Raumwechsel der besonderen Schwierigkeit der Lage geschuldet war oder ihrer immer noch angeschlagenen Gesundheit.
Letztlich war ihr dies jedoch gleichgültig. Kaum dass sie und Lutz Platz genommen hatten, wandte sie sich an die Äbtissin und sagte heftig: »Könntet Ihr mir bitte erklären, warum mein Kollege und ich uns immer noch hier befinden, bei Euch in diesem Zimmer und in Eurer Zeit? Schließlich haben wir unsere Aufgabe erfüllt und den Mord an Anselm aufgeklärt. Wir wissen, dass Leonard ihn umgebracht hat. Ich möchte endlich wieder in meine Zeit zurückkehren. Ich möchte nach Hause.« Irgendwie, schoss es Jo durch den Kopf, hörte sie sich an wie dieser kleine, glupschäugige Alien in jenem Spielberg-Film, an dessen Namen sie sich gerade nicht erinnern konnte. Na ja, sie fühlte sich auch wie ein Alien.
»So leid es mir tut und sosehr ich Eure Ungeduld und Eure Enttäuschung verstehe«, Äbtissin Agneta schüttelte den Kopf, »aber dass Ihr den Mord aufgeklärt habt, ist nicht genug. Eine Ordnung wurde zerstört und muss wiederhergestellt werden. Deshalb werdet Ihr erst dann diese, meine Zeit verlassen können, wenn Ihr Leonard öffentlich des Mordes angeklagt habt.«
»Und warum muss ausgerechnet ich das tun? Warum könnt zum Beispiel Ihr ihn nicht anklagen?«
»Weil zwischen Euch und ihm eine besondere Verbindung besteht. Ihr habt zuerst entdeckt, dass Leonard all diese schrecklichen Taten begangen hat.« Die Äbtissin schaute Jo in die Augen. Der Schein des Feuers spiegelte sich in ihren Pupillen. Unwillkürlich fragte sich Jo, ob die alte Frau ahnte, dass sie sehr nahe daran gewesen war, mit Leonard ins Bett zu gehen.
»Leonard wird am 6. Januar, am Fest der Heiligen Drei Könige, wie Ihr ja Lutz berichtet habt, in der Gertrudiskirche jene Messe feiern, bei der er die zermahlenen Reliquien und das Blut seiner Opfer mit dem gewandelten Messwein vermischen will, um so die Unsterblichkeit zu erlangen.« Sehr bestimmt sprach die Äbtissin weiter. »Ihr müsst verhindern, dass ihm dies gelingt. Denn das ist der wahre Grund, warum Ihr
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