Dreikönigsmord (German Edition)
hierhergekommen seid, und nur dann habt Ihr Eure Aufgabe wirklich erfüllt.«
»Und wie stellt Ihr Euch das vor?«, gab Jo erbost zurück. »Sobald mich irgendjemand erkennt, werde ich doch sofort auf den Scheiterhaufen geschleppt.«
»Damit hat Jo nicht ganz unrecht.« Lutz, der dem Gespräch bislang schweigend zugehört hatte, ergriff endlich einmal das Wort. Er sah Jo an. »Ich wollte dir das vorhin nicht gleich erzählen. Ich fand das ein bisschen viel, so gleich nach dem Aufwachen und sozusagen auf nüchternen Magen. Aber Gregorius, Leonards Arzt, wurde ermordet. Leonard hat in der Stadt verbreiten lassen, du hättest diese Tat begangen.«
»Wirklich super.« Jo klang verbittert. »Wahrscheinlich lässt dieser Verrückte bald auch noch verkünden, ich hätte Rom in Brand gesteckt und den Tempel in Jerusalem zerstört. Den Dritten Weltkrieg könnte er mir ja auch gleich noch in die Schuhe schieben.«
»Mit diesem Mord wollte Leonard wahrscheinlich einen wichtigen Zeugen beseitigen.« Lutz wiegte nachdenklich den Kopf.
Jo nickte. »Ja, er muss befürchtet haben, dass wir Gregorius dazu bringen könnten, gegen ihn auszusagen.«
Die Äbtissin berührte ihre Hand. »Wollt Ihr denn wirklich, dass ein Mörder wie Leonard ewig lebt und durch die Jahrhunderte sein Unwesen treibt?«, fragte sie sanft, was Jo etwas entwaffnete. Trotzdem war sie immer noch zornig und fühlte sich hilflos.
»Glaubt Ihr, eine Ordensfrau, denn an Schwarze Magie?«, versetzte sie aufgebracht.
Die alte Frau seufzte: »Nun, ich möchte es lieber nicht darauf ankommen lassen, dass Leonard dieser Zauber gelingt …«
»Aber wie soll ich überhaupt unentdeckt in die Stadt und bis in diese Kirche gelangen?«, beharrte Jo. »Diese Frage habt Ihr mir immer noch nicht beantwortet. Außerdem … Wenn ich Leonard wäre, würde ich mittlerweile davon ausgehen, dass ich mich wahrscheinlich hier versteckt habe. Immerhin weiß er, dass Ihr mich und meinen Kollegen damit beauftragt habt, den Mord an Anselm zu untersuchen. Das hat er mir selbst gesagt.«
»Ja, er weiß Bescheid.« Lutz nickte. »Bislang hat er es noch nicht gewagt, das Kloster anzugreifen, aber er hat Soldaten vor den Toren postiert.«
»Auch das noch … Wir sitzen also sozusagen in der Falle.« Jo ließ sich frustriert in ihrem Stuhl zurücksinken. »Wir bräuchten einen Hubschrauber.« An die Äbtissin gewandt, fügte sie hinzu: »Das ist eine Maschine aus Metall, die fliegen kann.«
»Wie ein Vogel?« Die Augen der Äbtissin blinzelten interessiert.
»Ja, gewissermaßen. Nur hat ein Hubschrauber eine Art Rad auf seinem Rücken.« In nicht allzu ferner Zukunft würde sie hoffentlich nicht mehr solche Begriffe in eine Babysprache übersetzen müssen. Plötzlich bemerkte Jo, dass Lutz in den Kamin starrte, wo über dem Feuer die warme Luft zitterte. »Heißluft …«, hörte sie ihn murmeln.
»Wie bitte?«, fragte sie konsterniert.
»Ein Ballon …«
»In dieser Zeit gibt es kein Gas«, versetzte sie ungeduldig.
Er schüttelte den Kopf. »Ich rede nicht von einem Gas-, sondern von einem Heißluftballon.«
Die Äbtissin pochte mit ihrem Stock energisch auf den Boden. »Es ist durchaus anregend, Euch zuzuhören. Aber könnte mir bitte jemand erklären, wovon Ihr eigentlich redet?«
Lutz beugte sich vor. Mit den Händen beschrieb er einen großen Kreis. Sein Gesichtsausdruck war verzückt wie der eines kleinen Jungen, der seine erste Modelleisenbahn aufbauen darf. »Stellt Euch eine riesige mit Luft gefüllte Schweinsblase vor. So groß wie dieses Zimmer. Und an dieser Blase hängt ein Korb. Wenn heiße Luft von einem Feuer in die Blase strömt, ist die Luft in ihrem Inneren leichter als die außerhalb. Deshalb kann die Blase samt dem Korb von der Erde abheben.«
»Tatsächlich …?« Die Äbtissin wirkte nicht völlig überzeugt.
»Das meinst du jetzt doch nicht ernst?«, warf Jo erregt ein. »Wie sollen wir in einer knappen Woche einen solchen Ballon bauen? Von den Berechnungen, die vorher nötig sein werden, ganz zu schweigen.«
»Oh, im Sommer habe ich zusammen mit meinen beiden Neffen einen kleinen Heißluftballon gebaut.« Lutz winkte lässig ab. »Wir sind damit immerhin über eine Wiese geflogen. Dann hat sich der Ballon leider in einem Baum verfangen.«
»Eine Wiese … Da habt ihr ja eine weite Distanz zurückgelegt.« Jo konnte es nicht fassen. »Wir müssten es bis in die Stadt schaffen. Das sind immerhin sechs Kilometer. Außerdem lässt sich ein
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