Dreikönigsmord (German Edition)
sich ein paar Jungs einen Kohlkopf zu. Fast so, als ob sie Fußball spielen würden.«
Lutz Jäger grinste flüchtig. »Tja, der eine – Werner heißt er – hat einen wunderbaren Schuss. Völlig präzise. Der würde es in unserer Zeit als Fußballer bestimmt weit bringen.«
»Ich wusste gar nicht, dass es Fußball im Mittelalter schon gab …«
»Gab es auch nicht. Ich habe beschlossen, den Jungs das Spiel beizubringen.«
»Ach so …«
Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Lutz Jäger, begriff Jo, würde ihr also nicht entgegenkommen.
Wieder räusperte sich Jo: »Dürfte ich mich setzen?«
»Oh, bitte …« Er winkte lässig.
Jo zog sich einen Schemel heran und erhaschte dabei einen Blick auf das Innere des Topfs. Eine sämige Flüssigkeit blubberte darin. »Ich … Ich bin gekommen, weil ich mich entschuldigen möchte. Und weil ich Eure Hilfe brauche … Ich meine, Ihre Hilfe …« Nun war es heraus.
»Ach ja …?« Lutz Jäger hob fragend die Augenbrauen. »Was hat Sie denn zu diesem Gesinnungsumschwung bewogen?«
Jo unterdrückte eine gereizte Bemerkung und redete hastig weiter: »Ich bin gestern zu dem Kloster hinausgefahren. Sie wissen schon, das Kloster, wo wir an jenem Sonntagmorgen waren …«
»Ja, ich hätte auch nicht angenommen, dass Sie plötzlich, getrieben von einer religiösen Inbrunst, ein anderes aufgesucht haben.« Lutz Jäger nickte übertrieben ernsthaft.
»In dem Kloster bin ich einer alten Frau begegnet, einer Äbtissin …« Sie berichtete ihm rasch, was sich dort zugetragen und wie sie von dem Leichenfund erfahren hatte. »Jedenfalls geht diese Äbtissin Agneta davon aus, dass das halbverweste Skelett, das in unserer Zeit gefunden wurde, das des ermordeten jungen Mannes ist. Und dass ich – das heißt, wahrscheinlich wir beide – in diese Mittelalterwelt geraten sind, um diesen Mord aufzuklären. Falls ich mich weigern sollte – so meinte sie –, würde ich nie mehr in die Gegenwart zurückkehren können.« Dass die Äbtissin außerdem gesagt hatte, Jo würde dann für immer verloren sein, verschwieg sie. Lutz Jäger musste sie, auch ohne diese Zusatzinformation, für völlig irre halten.
Jo hörte die Suppe blubbern und die Äste im Feuer knacken. Schließlich zuckte ihr Kollege mit den Schultern. »Na ja, das wäre ja immerhin eine Erklärung, warum es uns hierher verschlagen hat.«
»Sie glauben also, was mir diese Äbtissin erzählt hat?«
»Sie doch auch … Sonst wären Sie wohl kaum zu mir gekommen.«
»Irgendwie schon …« Jo seufzte resigniert.
Lutz Jäger streckte seinen Rücken. »Wobei ich allerdings nicht weiß, ob ich wirklich aus dem Mittelalter wieder weg will.«
»Was …?« Jo starrte ihn fassungslos an.
»Tja, gestern habe ich ein wunderbares Linsengericht mit Rüben und Lauch gekocht. Das Gemüse schmeckt hier tatsächlich noch nach Gemüse. Einen exzellenten Hartkäse habe ich ebenfalls entdeckt. Und das Bier …« Er spitzte seine Lippen.
»Sie …« Jo verschlug es die Sprache. Dann erst bemerkte sie, dass Lutz Jäger sie angrinste.
»Ach, kommen Sie … Nun regen Sie sich wieder ab. War nicht ernst gemeint. Auch wenn das Mittelalter durchaus ein Geschmackserlebnis ist … Auf Dauer würden mir doch mein Farbfernseher und mein DVD-Player und vor allem die Fußball-Bundesliga fehlen.«
Jo wollte ihn ärgerlich anfahren, doch ihr Magen, der ein lautes, unüberhörbares Knurren von sich gab, ließ sie verstummen. Sie war nach dem Aufstehen zu müde gewesen, um etwas zu essen, und hatte, trotz Katreins Protest, nur einen Becher Kräutertee getrunken.
»Hungrig?« Lutz Jäger sah sie fragend an.
»Ja, schon …«, gab sie zu.
»Wenn Sie möchten, können Sie einen Teller von der Suppe haben.«
»Was ist da drin?« Jo schnupperte misstrauisch.
»Brot, Lauch, Zwiebeln und Käse, verfeinert mit Majoran, Thymian und einer Prise Kümmel. Eine neue Kreation von mir. Inspiriert von den Vorräten in meiner Speisekammer. Ohne mich über Gebühr loben zu wollen, aber ich finde, die Suppe schmeckt ausgezeichnet.«
»Schon gut, ich habe verstanden. Ja, ich hätte gerne davon …« Gegen ihren Willen musste Jo lächeln.
»Etwas begeisterter könnten Sie aber schon auf mein Angebot reagieren.« Lutz Jäger nahm eine Holzschale aus einem Regal und schöpfte einige Kellen von der Suppe hinein. »Bitte sehr …« Mit einer übertriebenen Verbeugung reichte er ihr das dampfende Gericht.
Jo pustete, ehe sie vorsichtig an dem Löffel nippte.
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