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Dreikönigsmord (German Edition)

Dreikönigsmord (German Edition)

Titel: Dreikönigsmord (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bea Rauenthal
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kramte in seiner Manteltasche herum und förderte daraus schließlich einen etwa drei Zentimeter großen, gläsernen Würfel zutage.
    »Was soll das denn sein?«, fragte Jo verdutzt.
    »Ein Lesestein. Hab ihn bei einem Händler am Marktplatz entdeckt. Ein speziell geschliffener Kristall. Er vergrößert die Dinge um das Doppelte.«
    »Wirklich sagenhaft !«
    »Sie sind aber auch nie zufrieden. Jetzt fassen Sie schon mit an!«
    Gemeinsam wuchteten sie den steifgefrorenen Leichnam auf den Bauch. Sein Rücken, das Gesäß und die Schenkel wiesen die charakteristischen blau-lilafarbene Verfärbungen auf, wenn das Blut nach Eintritt des Todes in die tiefer gelegenen Körperregionen wandert.
    »Mittelgroß, eher schmächtiger Körperbau«, sagte Jo.
    »Ja, aber trotzdem auch muskulös.« Lutz Jäger ließ seine Hände über die Arme und Beine des Toten wandern.
    »Wahrscheinlich war das in dieser Zeit bei den meisten Leuten der Fall. Schließlich haben sie fast alle körperlich gearbeitet.« Während sie sprach, holte Jo eine Wachstafel und einen Griffel aus dem Bündel, das sie umhängen hatte.
    Ihr Kollege starrte sie an, dann breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. »Originelles Schreibzeug, das Sie da haben. Hätte mich aber auch gewundert, wenn Sie keine Ausrüstung in Ihrem Handtäschchen dabeigehabt hätten.«
    »Ach, halten Sie den Mund. Geben Sie mir lieber einmal diesen Lesestein.«
    Durch ihn betrachtete Jo die Hände des Toten. Sie waren langfingrig, aber schwielig. Der Junge hatte eindeutig mit seinen Händen gearbeitet. Was aber wohl auch nicht ungewöhnlich für das Mittelalter war. Jo wollte sich frustriert aufrichten, als sie innehielt und noch einmal durch den Lesestein blickte.
    »Haben Sie etwas gefunden?« Lutz Jäger beugte sich neben ihr über den Leichnam. Ja, sie hatte sich nicht getäuscht. Durch den Lesestein war die Rechte des Toten etwas verzerrt zu sehen. Und unter den Fingernägeln klebte eindeutig etwas.
    »Haben Sie gerade ein Messer zur Hand?«, fragte sie.
    »Aber ja …«
    Mit der Messerspitze säuberte Jo vorsichtig die Fingernägel und ließ die Klümpchen in eines der Tongefäße rieseln, die sie ebenfalls mitgebracht hatte. »Sieht aus wie Mörtel …«
    »Oder wie Ton …« Lutz Jäger nickte. »Das heißt, der Junge könnte in der Stadt als Maurer oder Töpfer gearbeitet haben.«
    »Ich darf überhaupt nicht darüber nachdenken, wie schnell sich das mit Hilfe eines Mikroskops herausfinden ließe.«
    »Ja, Quincy … Tun Sie das nicht. Notieren Sie stattdessen schon einmal unsere Erkenntnisse auf Ihrem ultracoolen Schreibgerät.«
    Jo verzog das Gesicht. »Eines Tages werden Sie mir noch dankbar für meine Notizen sein.«
    »Ganz bestimmt.« Lutz Jäger breitete das Leichentuch auf dem gestampften Lehmboden aus. Dann klappte er den Deckel des Weidenkorbs hoch und entnahm ihm einen Mantel, einen Kittel und eine Hose, die er auf das Tuch legte und mit dem Lesestein in der Hand absuchte. Währenddessen mühte sich Jo mit dem Griffel und der Wachstafel ab.
    »Und?« Sie schob beides in ihr Bündel und kniete sich neben ihn.
    »Zuallererst jede Menge getrocknetes Blut …«
    »Was bei einer durchgeschnittenen Kehle auch nicht anders zu erwarten war.«
    »Aber hier habe ich etwas Merkwürdiges entdeckt.« Er hielt eine Pinzette hoch. »Sehen Sie sich das einmal durch den Lesestein an.«
    Vorsichtig hielt Jo den geschliffenen Kristall vor die Pinzette. Zwischen den kleinen Backen hing etwas leuchtend Blaues. Eine im Licht schimmernde Fluse.
    »Ich habe noch drei weitere davon gefunden.« Lutz wies auf die Tonschale, die vor ihm auf dem Boden stand. »Das Material müsste eine sehr fein gewebte Seide sein. Und war Blau im Mittelalter nicht ein teures Farbmittel?«
    »So ein heller, strahlender Farbton bestimmt«, erwiderte Jo nachdenklich. »Und das passt überhaupt nicht zur fadenscheinigen, zerrissenen Kleidung des Jungen.«
    »Notieren Sie auch das, Quincy!« Lutz Jäger sprang auf die Füße. »Jedenfalls haben wir der Äbtissin etwas mitzuteilen.«
    Wieder zurück in den Räumen der Äbtissin, reichte Lutz Jäger der alten Frau das Schälchen mit den Flusen und den Lesestein. »Habt Ihr irgendeine Ahnung, wie diese winzigen Fädchen an die Kleidung des Jungen gelangt sein können?«
    Die alte Frau betrachtete die Flusen einige Momente lang durch den geschliffenen Kristall. Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein … Aber das Material scheint Seide gewesen zu sein.«
    »Das

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