Dreikönigsmord (German Edition)
versuchen, mich anzulügen.«
Jo stand auf. »Ich würde gerne einmal mit Eurer Köchin, Schwester Constantia, und mit Schwester Irmhild sprechen.«
Äbtissin Agneta vollführte eine gelassene Handbewegung. »Gewiss, tut das.«
»Was halten Sie von der Einschätzung der Äbtissin, dass keiner der Knechte an dem Mord beteiligt ist?«, fragte Jo später, als sie durch das Klostertor fuhren. Die tiefhängenden dunklen Wolken verhießen einen neuen, baldigen Schneefall. Sie hoffte, dass sie noch vor Einbruch der Dunkelheit die Stadt erreichen würden.
Lutz Jäger, der neben ihr in dem Schlitten saß, zuckte mit den Schultern. »Ich denke schon, dass sie Menschen richtig beurteilen kann. Sie etwa nicht?«
»Doch, schon …«, gab Jo widerstrebend zu, auch wenn sie die herrische alte Frau nicht unbedingt mochte. Das Gespräch mit Schwester Constantia und Schwester Irmhild hatte ihnen jedenfalls keine neuen Erkenntnisse gebracht. Irmhild, eine schüchterne junge Frau, hatte sich nur daran erinnert, dass Anselm von einem Bauernhof stammte – eine Information, die ihnen gar nicht weiterhalf.
Die Köchin, Schwester Constantia, eine große, kräftige Frau mit einem ausgeprägten Damenbart über der Oberlippe, hatte ihnen bloß wiederholen können, was sie ohnehin schon der Äbtissin gesagt hatte: nämlich, dass sie Anselm gemocht und ihm häufig erlaubt hatte, in der Küche zu sitzen und zu schnitzen. Jo hatte nicht den Eindruck gehabt, dass ihnen die beiden Frauen etwas verschwiegen. Sofern sie ihren Eindrücken in dieser verwünschten Zeit trauen konnte … Und auch die Pförtnerin hatte ihnen nicht weiterhelfen können.
Wieder einmal stieg eine hilflose Gereiztheit in Jo auf. »Schön, dass Sie wenigstens das Keksrezept bekommen haben«, sagte sie bissig zu Lutz Jäger.
Dieser lächelte sie an. »Ja, ich freue mich schon darauf, es auszuprobieren. Auch wenn Zimt, Kardamom und Muskat im Mittelalter nicht gerade billig sein dürften …«
Mittlerweile hatten sie die Felder und Wiesen hinter sich gelassen und den Waldrand erreicht. Der Wind fuhr in die Äste. Kleine Flocken rieselten auf sie herab. Der Braune geriet in eine Unebenheit im Boden und kurz aus dem Tritt. Jo zog am Zügel und brachte ihn wieder in die tiefe Spur im Schnee zurück. »Mir wäre es lieber, wenn wir über unsere weiteren Ermittlungen reden könnten – statt über Küchenprobleme.«
»Na ja, Sie haben damit angefangen …«, erwiderte Lutz friedlich. »Ich schlage vor, wir beginnen mit den Steinmetzen auf der Dombaustelle. Wenn wir dort nichts über Anselm herausfinden, nehmen wir uns die anderen Steinmetze und die diversen Töpfer in der Stadt vor.«
Jo richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Rücken des Braunen und den dampfenden Atem, der von seinen Nüstern aufstieg. Schließlich sagte sie widerstrebend: »Mir wäre es lieb, wenn wir diese Befragungen zusammen durchführen könnten.«
»Ja, selbstverständlich«, erwiderte Lutz Jäger überrascht. »Was spräche dagegen? Ach so …« Ein amüsierter Unterton stahl sich in seine Stimme. »Sie fürchten wieder einmal um Ihren guten Ruf.«
»Das ist überhaupt nicht zum Lachen«, gab Jo hitzig zurück. »Sie, als Mann, haben dieses Problem natürlich nicht.«
»Klar, wir haben es ja immer viel leichter. Ich kann dazu nur sagen: Sie sind nicht mit drei älteren Schwestern aufgewachsen … Das war die wahre Unterdrückung.« Er grinste wieder. »Also, um Ihr Problem zu lösen, schlage ich vor, dass Sie erst einmal allein zu der Baustelle gehen und unter einem Vorwand nach dem Jungen fragen. Irgendein plausibler Grund wird Ihnen ja einfallen. Ich komme dann ganz zufällig dazu und mische mich in Ihr Gespräch ein …«
»Super Plan.«
»Fällt Ihnen was Besseres ein?«
»Nein.«
»Also gut.« Lutz Jäger rekelte sich in dem Schlittensitz und zog die pelzgefütterte Decke höher über seine Knie. Nach einer kurzen Pause sagte er: »Sie machen das übrigens richtig gut … Den Schlitten fahren, meine ich. Wo haben Sie denn das gelernt? Mir sind Pferde immer ein bisschen unheimlich. Als ich ein kleines Kind war, hat mich einmal das Pferd meiner älteren Schwester gegen die Brust getreten und mir zwei Rippen gebrochen. He, jetzt stellen Sie doch nicht schon wieder alle Stacheln auf.«
»Das tue ich überhaupt nicht«, erklärte Jo entrüstet.
»Doch, eben war Ihr Gesicht noch ganz entspannt. Und jetzt sehen Sie richtig finster aus. Als hätte ich es gewagt, Ihre Trefferquote auf dem
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