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Dreikönigsmord (German Edition)

Dreikönigsmord (German Edition)

Titel: Dreikönigsmord (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bea Rauenthal
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ihrer Nähe stehen. Sie straffte sich. Trotz ihrer Aikido-Kenntnisse würde sie gegen diesen Riesen nur eine Chance haben, wenn sie ihn überrumpeln konnte.
    Stoff raschelte. Jo hörte ein vertrautes Pladdern, während ihr der scharfe Geruch von Urin in die Nase stieg. Sie wollte sich schon entspannen. Doch in diesem Moment öffnete sich oben im Haus ein Fensterladen. Jemand sagte etwas und warf etwas in den Schnee. Nur kurz fiel der Schein einer Lampe in den Hof, dann wurde der Laden wieder geschlossen. Die Helligkeit hatte allerdings lange genug gewährt, um Jo einen jungen Mann zu zeigen, der ihr, seinen Pimmel in der Hand, gegenüberstand und sie erschrocken anstarrte.
    »Entschuldigt …« Sie räusperte sich.
    »Ihr … Ihr seid die Frau, die vorhin nach Anselm gefragt hat, nicht wahr?«, hörte sie den jungen Mann stammeln. »Ich habe Euch im Flur gesehen.«
    »Dann kennt Ihr ihn also?«
    »Ja«, sagte er kaum hörbar.
    »Bitte«, drängte Jo, »ich muss unbedingt mit Euch reden.« Als von ihrem Gegenüber keine Reaktion erfolgte, fügte sie leise hinzu: »Anselm ist nicht mehr am Leben. Er wurde ermordet.«
    »Lutz!«
    »He, Lutz, lange nicht gesehen!«
    »Ja, Greta ist ziemlich wütend auf Euch, das kann ich Euch sagen.« Ein vielstimmiger Chor war Lutz entgegengeschallt, als er eine Weile zuvor das Bordell mit dem poetischen Namen »Zum Paradiesapfel« betreten hatte. Der große Raum im Erdgeschoss – allem Anschein nach der Empfangsraum – entsprach dem Schild mit der roten, von Wind und Wetter gezeichneten Frucht an der Fassade: farbenprächtig, wenn auch leicht verlottert.
    Eine rundliche Blondine fasste Lutz an der Hand und führte ihn zu einem Holzstuhl vor dem Kamin. »Setzt Euch, wir haben Euch Euren Lieblingsplatz immer freigehalten«, sagte sie und lächelte ihn an. »Ich bringe Euch gleich Euer Bier.«
    »Ähm, danke …«, erwiderte Lutz etwas verlegen. Anscheinend war sein Mittelalter-Ich in dem Bordell Stammgast.
    »Ich bin gleich wieder bei Euch, macht es Euch inzwischen bequem.«
    Immer noch etwas verwirrt, blickte Lutz der Blondine nach, die mit wiegenden Hüften auf eine andere Frau zuging – eine Braunhaarige, deren weiter Ausschnitt einen üppigen Busen und hennagefärbte Brustwarzen entblößte – und einige Worte mit ihr wechselte, die er nicht verstehen konnte. Die Braunhaarige eilte daraufhin aus dem Raum.
    In einer Ecke entdeckte Lutz einen seiner Kneipengäste, an dessen Namen er sich nicht erinnern konnte. Der Mann erkannte ihn ebenfalls, winkte ihm kurz zu und widmete sich dann wieder der jungen Hure, die auf seinem Schoß saß und ihre Zunge an seinem Hals hinabwandern ließ.
    Manche Dinge ändern sich im Lauf der Jahrhunderte wirklich kaum, sinnierte Lutz teils amüsiert, teils ein wenig melancholisch, während er seine Beine dem prasselnden Feuer entgegenstreckte. Sicher, in diesem Bordell gab es keine großen Spiegel, keine roten Plüsch- und Lederstühle und auch keine weichen Sofas. Aber Rot war auch hier die vorherrschende Farbe. Die Wände waren damit gestrichen und außerdem da und dort noch mit Bildern von riesigen Penissen und Vaginas geschmückt – ungelenk gemalt, wie von Kinderhand, hatten sie etwas Comichaftes. Die Frauen hatten sich ihre Lippen und Wangen rot angemalt, und rote Lampen, die ein schummriges Licht verbreiteten, hingen von der niedrigen Balkendecke herab.
    In diesem Licht wirkten die Frauen alle ziemlich hübsch. Auch wenn sie, im Vergleich zu ihren Geschlechtsgenossinnen im 21. Jahrhundert, recht viel anhatten. Kleider in grellen Farben mit großen Ausschnitten, die Säume bis zu den Waden hochgeschürzt, was für mittelalterliche Verhältnisse wohl der Inbegriff des Verruchten war. Wobei es durchaus etwas hatte, stellte Lutz plötzlich fest, dass nicht alles gleich zur Schau gestellt wurde …
    »Hier, Euer Bier.« Die rundliche Blondine war zurückgekehrt und lehnte sich an ihn.
    »Sagt, was habt Ihr während der vergangenen Wochen getrieben? Wir haben Euch alle schon vermisst. Von Greta gar nicht zu reden …« Andere Huren versammelten sich in einem Halbkreis um ihn.
    »Ja, ich …« Lutz suchte nach einer Ausrede, während er sein Mittelalter-Ich verwünschte. Was für ein Lotterleben hatte dieser Kerl eigentlich geführt …? Hastig stürzte er den Inhalt des großen Holzhumpens hinunter. »Dringende Geschäfte …«, begann er lahm. Dann registrierte er, dass das Stimmengewirr verstummt war. Die Prostituierten wichen zurück. Eine große

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