Dreikönigsmord (German Edition)
in die eigenen Hände zu nehmen. Wobei sie ihn diesmal allerdings verstehen konnte. »Was geschah dann?«, fragte sie gespannt.
Greta lächelte, und ihre grünen Augen funkelten. Plötzlich war sich Jo sicher, dass sie sich an dem Überfall beteiligt und mitgeholfen hatte, Kristin zu rächen. »Na ja, als die geteerten und gefederten Männer im Morgengrauen auf dem Platz entdeckt wurden, sorgte das für ein ungeheures Aufsehen in der Stadt. Jörg Schreiber ließ uns von da ab in Ruhe. Aber es war klar, dass er die Sache nicht einfach vergessen würde. Denn sonst hätte er ja seine Macht verloren. Er versuchte, seinen Einfluss als Ratsherr einzusetzen und Lutz das Leben so schwer wie möglich zu machen. So schwärzte er ihn etwa bei Bischof Leonard an, Lutz würde seinen Gästen falsch einschenken. Gott sei Dank schenkte der Bischof Lutz und nicht Jörgs falschen Zeugen Glauben.«
»Dieser Bischof scheint ganz in Ordnung zu sein«, sagte Jo nachdenklich. »Er hat sich auch dafür eingesetzt, dass ich über mein Erbe allein verfügen kann – und nicht die Brüder meines verstorbenen Gatten.« Ein entsprechendes Schreiben hatte sie beim Herumkramen im Schreibkontor entdeckt und, nachdem die ersten Worte sie neugierig gemacht hatten, nach und nach mühsam entziffert. Um Himmels willen, begriff Jo plötzlich, jetzt redete sie ja schon ganz selbstverständlich von ihrem Erbe und ihrem Gatten …
»Leonard ist erst seit etwa einem Jahr der Bischof der Stadt, und es ist noch nicht viel über ihn bekannt. Vielleicht ging es ihm auch einfach darum, dem Rat zu zeigen, dass er der Herr ist. Ich kann nur sicher über den Bischof sagen, dass er sehr gut aussieht.«
»Tatsächlich?«, meinte Jo ein wenig amüsiert.
»O ja …« In Gretas Augen trat ein verträumter Ausdruck. »Nun, wenn es Lutz nicht gäbe, könnte ich dem Bischof gegenüber direkt schwach werden …«
Jo verkniff sich die Bemerkung, dass sich dies wohl kaum mit dessen Keuschheitsversprechen vereinbaren ließe. »Aber bei den falschen Anschuldigungen gegenüber Lutz blieb es nicht, vermute ich?«, kam sie wieder auf ihr eigentliches Thema zurück.
»Nein, natürlich nicht.« Greta schüttelte den Kopf und wurde schlagartig wieder ernst. »Vor einigen Wochen versuchte jemand nachts, ein Feuer in Lutz’ Wirtshaus zu legen. Er hat es gerade noch rechtzeitig bemerkt, ehe sich der Brand ausbreiten konnte. Und nun dieser Überfall … Dahinter stecken ganz bestimmt Jörg und seine Männer.«
»Und dieser Jörg hätte umso mehr einen Grund dazu gehabt, Lutz einzuschüchtern oder ihn gar zu töten, wenn ihm tatsächlich das Männerbordell gehören und er hinter dem Mord an Anselm stecken sollte«, murmelte Jo nachdenklich. »Vielleicht wurde ihm Anselm zu aufmüpfig, er versuchte ja schließlich auch, Frowin zu schützen. Oder Anselm erpresste Jörg Schreiber … Ein Ratsherr, der ein sodomitisches Bordell betreibt und einen Priester zu seinen Kunden zählt … Was für ein Skandal … Gut möglich, dass Jörg Schreiber erfuhr, dass Lutz Fragen stellte.«
»Der Lutz aus Eurer Zeit scheint jedenfalls auch ein Talent dafür zu haben, in Schwierigkeiten zu geraten.« Greta seufzte und schüttelte den Kopf.
»Den Eindruck habe ich auch«, erwiderte Jo, die sich an ihr Zusammentreffen mit den Zigeunern erinnerte, trocken.
In der Ferne hörte sie eine Uhr einmal schlagen. Erschrocken begriff sie, dass bereits über vier Stunden vergangen waren, seit sie ihr Haus verlassen hatte. Wahrscheinlich war Katrein mittlerweile vor Sorge schon außer sich. Es war nicht auszuschließen, dass sie bald Knechte ausschicken würde, um nach ihr zu suchen. Jo lächelte Greta an. »Ich muss gehen. Vielen Dank, dass Ihr mit mir gesprochen habt. Ihr habt mir sehr geholfen.«
»Sagt Lutz bitte, dass er auf sich aufpassen soll. Ich meine, auch wenn er nicht der Lutz ist, den ich kenne …« Greta verstummte.
»Das werde ich.« An der Tür drehte sich Jo noch einmal zu Greta um. »Ihr liebt Euren Lutz wohl sehr?«
»Ja, das tue ich.« Gretas Augen strahlten.
»Ich hoffe sehr, dass er wieder zu Euch zurückkehren wird«, sagte Jo leise.
Sie hatte eben das Bordell verlassen, als ihr einfiel, dass Äbtissin Agneta ja von einem Streit erzählt hatte, den Ebersheim und Worms vor einigen Jahren wegen der Reliquie der heiligen Gertrudis miteinander gehabt hatten. Dieser Jörg Schreiber handelte mit Reliquien. Und Anselm hatte aus der Gegend um Worms gestammt. Jo beschloss, diese Information
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