Dreikönigsmord (German Edition)
im vergangenen Jahr noch »zeitlos elegant« gefunden hatte.
Draußen auf der Straße pfiff jemand »Stille Nacht«. Jo gähnte. Allmählich sollte sie wohl ins Bett gehen. »Stille Nacht« …? Sie stieß den Stuhl zurück und öffnete den nächstgelegenen Fensterladen. Tatsächlich, vor dem Haus zwischen wirbelnden Schneeflocken stand Lutz Jäger. Er nahm seine Mütze ab und verneigte sich. »Ich hab dir doch gesagt, dass ich dir ein Geschenk vorbeibringen würde. Ich kann es dir natürlich auch durchs Fenster geben.«
»Nein, schon gut, komm rein. Die Knechte und Mägde sind alle in der Kirche.« Irgendwie war sie ein bisschen beschwipst … Jo eilte in die Halle, schob den Riegel zurück und ließ ihren Kollegen ein. »Geh schon einmal da den Gang entlang in die Küche. Ich komme gleich nach«, sagte sie rasch, ehe sie die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinaufrannte und dort in ihrer Truhe herumkramte.
Als sie wieder in die Küche kam, hatte Lutz es sich schon an der Tafel bequem gemacht. Vor ihm lag ein kleines Päckchen, in Wachspapier eingeschlagen und mit einer roten Kordel verschnürt.
»Für dich.« Er stand auf und reichte es ihr.
»Danke!« Hastig und auf einmal neugierig wie ein kleines Kind zerrte Jo an der Schnur. Ein gelbes Stück Seife, das intensiv nach Orangen roch, kam zum Vorschein.
»Du findest das hoffentlich nicht blöd?« Lutz räusperte sich und sah sie ein wenig ängstlich an. »Ich meine, Seife als Geschenk … Aber du hasst Pottasche doch so. Und als ich diese Seife bei einem arabischen Händler auf dem Markt entdeckte …«
Jo schnupperte an ihrem Geschenk. »Die Seife duftet ganz wunderbar«, sagte sie und lächelte. »Ich freue mich sehr darüber.«
»Wirklich?«
»Ja. Und ich habe auch etwas für dich.«
»Oh …«
Unter ihrer Schürze holte Jo den Lederball hervor, den sie dort verborgen hatte.
»Wo hast du den denn her?« Lutz machte große Augen.
»Hab ich bei einem Sattler machen lassen. Ich hoffe, er ist gut geeignet als Fußball …« Plötzlich war Jo aufgeregt.
Lutz ließ den Ball auf den Küchenboden springen, nahm ihn dann mit seinem rechten Fuß auf und kickte ihn quer durch den Raum. »Einfach perfekt!«
»Da bin ich aber froh …«
»Ja, mit diesem Ball werden meine Jungs erst so richtig begreifen, was Fußballspielen eigentlich ist …«
Eine etwas verlegene Stille breitete sich zwischen ihnen aus, bis Lutz in seiner Manteltasche herumzukramen begann und sagte: »Würdest du einen Joint mit mir rauchen?«
»Wie bitte?«
»Ich feiere doch sonst Weihnachten mit meinen Schwestern und ihren Familien. Wenn die Kinder im Bett sind, gehen wir immer auf die Terrasse und genehmigen uns einen Joint. Alte Familientradition.«
Jo stöhnte. »Und das bei einem Polizisten …«
»Jetzt hab dich nicht so. In anderen Ländern ist es völlig legal, Cannabis zu konsumieren. Nur Deutschland muss da mal wieder den Hardliner geben. Außerdem war das Rauchen von Hanf im Mittelalter garantiert nicht verboten.«
»Die wussten ja noch nicht mal, was Zigaretten sind …« Andererseits … Das Leben war wirklich kurz … Jo streckte die Hand aus. »Ach, gib schon her. Wer war denn dein Dealer ?«
»Ein Kräuterhändler.« Lutz grinste.
»Und ich dachte, das sei ein ehrbarer Beruf …«
Nachdem Lutz den Joint an der Glut in der Feuerstelle angezündet hatte, nahmen sie beide einen tiefen Zug. »Hast du wirklich einen Weihnachtsbaum in deiner Kneipe aufgestellt?«, fragte Jo.
»Klar, die Jungs waren begeistert. Und ›Stille Nacht‹ und ›Kling Glöckchen‹ habe ich ihnen auch beigebracht.« Er begann, vor sich hin zu singen, und Jo stimmte in »Kling Glöckchen« ein.
Sie fühlte sich plötzlich angenehm unbeschwert. In der Ferne schlug es dumpf zwei Uhr. Als ihr ein Gedanke durch den Kopf schoss, richtete sie sich abrupt auf. »Sag mal, bald sind doch alle Mitternachtsmessen zu Ende und die Leute wieder zu Hause. Was hältst du davon, wenn wir noch heute Nacht einen weiteren Reliquienschrein untersuchen?«
»Na ja, ich weiß nicht«, meinte Lutz zweifelnd, während er einen Rauchkringel in die Luft blies. Interessiert verfolgte er, wie der Qualm sich langsam unter den Küchenbalken verflüchtigte.
»Aber so hätten wir wieder einen Schrein auf unserer Liste abgehakt«, beharrte Jo.
Lutz zog noch einmal an dem Joint und inhalierte tief. »Okay«, sagte er dann mit John-Wayne-Stimme. »Let’s do it.«
»Jetzt halt doch mal die Lampe ruhig!«, zischte Lutz. »Ich kann
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