Dreikönigsmord (German Edition)
einmal einen Lohn verdient.« Er drückte dem Jungen eine Münze in die Hand.
Durch den Hintereingang schlich er ins Haus, dann zur Küchentür. Er lauschte. Nichts war zu hören. Vorsichtig zog er die Tür auf. Die Glut in der Feuerstelle verbreitete einen schwachen Lichtschein. Nein, niemand hielt sich hier auf. Plötzlich schnupperte Georg. Ein merkwürdig süßlicher Geruch lag in der Luft. Irgendwie moschusartig … Als er begriff, huschte ein Grinsen über sein Gesicht. Höchstwahrscheinlich hatten es seine Herrin und dieser Mistkerl Lutz auf der Tafel miteinander getrieben. Zeit genug hatten sie ja während der Mette gehabt.
Nun, dies waren Neuigkeiten, die Meister Kurt und Meister Albrecht bestimmt sehr interessieren würden.
Wo Lutz nur blieb? Schon vor einer ganzen Weile hatte es vier Uhr geschlagen. In letzter Zeit war er eigentlich doch immer recht pünktlich gewesen. Automatisch blickte Jo auf ihr linkes Handgelenk, wo sie in der Gegenwart ihre Armbanduhr trug. Ungeduldig begann sie, vor dem Portal der Sebastianskirche auf und ab zu gehen. Ein trister, wolkenverhangener Himmel spannte sich über der Stadt, und die feuchte Kälte schnitt unangenehm durch ihre Kleidung.
Nachdem die Weihnachtsfeiertage nun vorbei waren, fühlte Jo sich ein wenig verkatert. Kein Wunder, bei all dem, was sie an Essen in sich hineingestopft und an Wein und Bier getrunken hatte. Von dem Joint gar nicht zu reden. Angespornt von ihrer Entdeckung in der Christ-König-Kirche, hatten sie und Lutz Jäger auch die frühen Morgenstunden des Zweiten Weihnachtsfeiertags genutzt, um den Reliquienschrein in einer weiteren Kirche zu untersuchen – den des heiligen Petrus, eines bärtigen, rundlichen Patrons, der einen großen Schlüsselbund in der Hand hielt. Wobei sich diese Suche als vergeblich entpuppt hatte, denn der Schrein war unangetastet gewesen.
Für heute stand nun die Reliquie des heiligen Sebastian auf ihrer Liste. Noch einmal blickte Jo über den Platz. Eine rundliche Frau fegte den Eingang ihrer Bäckerei mit einem Reisigbesen vom Schnee frei. Zwei Männer luden Baumstämme von einem Schlitten, und ein anderer Mann, der ein Kind auf dem Arm trug, beide waren dick in Mützen und Mäntel vermummt, tappte durch den Matsch. Doch weit und breit kein Lutz.
Jo seufzte gereizt. Nun, dann würde sie den Reliquienschrein eben allein in Augenschein nehmen.
»Noch ein letzter Sturm aufs Tor!«, hatte Lutz Jäger den beiden Mannschaften vor der Grünen Traube zugebrüllt. »Dann ist Schluss für heute.« Er passte den Lederball – Jos Weihnachtsgeschenk – zu seinem Freund Herbert. Dieser umkurvte elegant einen gegnerischen Abwehrspieler und gab den Ball an Totnan, einen drahtigen Zwölfjährigen, weiter.
»Schieß!«, schrie Lutz. Totnan schoss – vorbei an dem bedröppelten Keeper, zwischen die krummen Stangen des feindlichen Tors.
»Super!« Lutz klatschte erst Totnan, dann Herbert ab.
»Ach, ihr habt einfach nur Glück gehabt«, maulten der ausmanövrierte Abwehrspieler und der Keeper.
»Von wegen, so was nennt man echte Klasse.« Lutz grinste. Er wollte noch hinzufügen: Man muss auch gönnen können, als hinter ihm ein wüstes Geschrei losbrach. Die Tonpfeife des Schiedsrichters gellte schrill. Ein Foul …? Er wirbelte herum.
Für einen Moment stockte ihm der Atem. Ein gutes Dutzend Vermummter hatte sich auf die Männer und Jungen der beiden Mannschaften gestürzt. Einer von ihnen hielt eine brennende Fackel an das Strohdach der Grünen Traube . Eine Flamme züngelte auf.
»Die Jungen verschwinden und holen Hilfe«, schrie Lutz und riss Totnan zurück, der sich auf einen mindestens doppelt so großen und schweren Angreifer stürzen wollte. Dann schnappte er sich den Ball und schleuderte ihn gegen den Arm des Mannes, der versuchte, seine Kneipe abzufackeln.
Er sah nicht, ob er den Kerl getroffen hatte, denn nun stürmte einer der Vermummten, einen Dolch in der Hand, auf ihn zu. Herbert tauchte neben ihm auf. Gemeinsam versetzten sie dem Burschen einen Hieb in den Magen, der ihn zusammensacken ließ. Aber schon drangen weitere Angreifer auf sie ein. Lutz zerrte das Messer aus seinem Gürtel. Wie aus weiter Ferne hörte er die Pfeife des Schiedsrichters weiter gellen. Da soll doch noch mal einer behaupten, Bundesligaspiele seien gefährlich, schoss es ihm durch den Kopf.
Ständig hatte sich jemand in der Kirche aufgehalten, hatte sich vor einen der Altäre in den Seitenschiffen oder vor die Statue des heiligen
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