Dreiländermord
Verbindungsaufbau klappte problemlos, nicht immer die Regel
bei den geografischen Verhältnissen in Huppenbroich. Hier war ein Anrufer schnell
einmal in ein Funkloch getappt, wenn er das unpassende Netz benutzte oder an einer
ungünstigen Stelle stand. Selbst in seiner Wohnung gab es nur bestimmte Bereiche
im Wohnzimmer, in denen der Funkkontakt in die Handynetze funktionierte, wie Böhnke
nach mehreren Versuchen herausgefunden hatte.
Der Bernhardiner befand sich gerade auf der Rückfahrt von Düsseldorf
nach Düren und wartete auf dem Kölner Hauptbahnhof auf die S-Bahn.
»Welch Glück, deine Stimme zu hören«, gab sich Küpper erfreut. »Was
ist der Grund deines Anrufs, dein Begehr?« Seine Eigenart, bisweilen übertrieben
höflich zu reden, hatte so manchen Gauner in der trügerischen Einschätzung belassen,
der Kriminale sei harmlos; eine Beurteilung, die alles andere als richtig war, denn
der Bernhardiner war ein gründlicher und konzentrierter, bisweilen skrupelloser
Ermittler, getarnt im Deckmantel der Freundlichkeit.
Böhnke lächelte leicht vor sich hin. »Ich wollte dir gerne einen Zwischenbericht
geben.« Sein zweites Anliegen hielt er bislang zurück. Ausführlich erzählte er von
seinem Besuch in Birkesdorf, ließ weder Gefferts Homosexualität noch dessen beendete
Liebesaffäre mit dem Mann aus Jülich aus. Den Rechercheansatz des Journalisten in
den Niederlanden verschwieg er ebenso wenig wie Gefferts Interesse in Richtung Belgien.
»Ich glaube, der wollte die gesamte Szene im Dreiländereck einmal genau unter die
Lupe nehmen.«
»Warum wohl?«, unterbrach ihn Küpper. »Die Staatsgrenzen kommen zwar
den Verbrechern mehr zugute als uns Ermittlern, die über die internationale Bürokratie
stolpern, aber es ist bei Tötungsdelikten in den letzten Jahren fast nie zu grenzüberschreitenden
Taten gekommen. Die Morde passieren anscheinend in den weitaus meisten Fällen im
eigenen Land. Mörder haben wohl keine Reisepässe«, witzelte er.
»Ich weiß auch nicht genau, was dahintersteckt«, räumte Böhnke ein.
»Kann eigentlich nur sein, dass Geffert für seine Serie zu wenig Stoff hatte, wenn
er sich auf den deutschen Raum in den Kreisen Düren, Aachen, Heinsberg und Euskirchen
beschränkt. Da hat er halt den Blick über die Grenze im Westen geworfen.«
Er räusperte sich kurz, gewissermaßen als Auftakt zu einem kleinen
Themenwechsel. »Kennst du eine Telefonnummer in Belgien oder, genauer gesagt, weißt
du vielleicht, warum Geffert ein Pfarrbüro in La Calamine kontaktierte?«
»Du meinst in Kelmis?«, fragte Küpper zurück.
La Calamine oder Kelmis, das war im Prinzip einerlei, zwei Bezeichnungen
für einen Ort in der jeweiligen Sprache, ein Ort im deutsch-niederländisch-belgischen
Grenzgebiet, der wie einige andere nach politischen und kriegerischen Auseinandersetzungen
zwangsweise mehrmals die Nationalität gewechselt hatte.
Böhnke sparte sich die Antwort. »Kannst du etwas
mit der Adresse anfangen?«
»Nein«, antwortete Küpper. Er habe keinen blassen
Schimmer, was Geffert beabsichtigt hatte. »Da müsstest du besser Bahn fragen«, empfahl
er und kam damit Böhnkes Bitte zuvor.
Die Frage nach Bahns Telefonnummer wäre sein
zweites Anliegen gewesen, das Küpper schnell erfüllte, ohne zu wissen, dass sein
Kollege sich danach hatte erkundigen wollen. Böhnke war es nur recht, dass Küpper
von sich aus darauf zu sprechen kam, so brauchte er ihm keine Begründung zu geben,
warum er Bahns Nummer hätte haben wollen. Er notierte die Festnetznummer im Dürener
Ortsnetz und kam wieder auf Geffert zu sprechen. »Du weißt also nichts Konkretes
über den Mann und seine Arbeit.«
»Ich weiß nicht mehr als das, was du mir gerade
mitgeteilt hast und das, was Bahn mir gesagt hat, wobei das weniger ist als das
von dir«, bestätigte Küpper. Bahn habe nur selten und dann nicht gerade mit Sympathie
über seinen Kollegen gesprochen. Über die Ermittlungen nach Gefferts Tod wisse er
überhaupt nichts. Bahn habe eben nicht mehr die guten Beziehungen zur Kripo. »Und
ich habe auch keine belastbaren Kontakte mehr zu meiner ehemaligen Dienststelle«,
stellte er mit unüberhörbarer Verärgerung in der Stimme fest. »Selbst Wenzel hat
sich von mir abgenabelt, was ich mir nie hätte vorstellen können.« Wenzel, das war
sein ehemaliger Assistent gewesen, der sehr schnell Allüren angenommen hatte, als
er an Küppers Stelle treten durfte. »Der guckt mich wahrscheinlich nicht einmal
mehr mit dem Arsch an. Der
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