Dreiländermord
Linie
ist Küpper an der Recherche interessiert«, fuhr der Journalist schließlich fort.
»Ich weiß nicht genau, warum. Er ist vollkommen darauf angesprungen, als Geffert
den Mord an seinem perversen Kameraden, dem Lebensmittelhändler, thematisiert hat.
Ich habe ihn deswegen gefragt, aber er hat mir keine Antwort gegeben.« So schnell,
wie sein Redefluss in Gang gekommen war, so schnell ebbte er auch wieder ab. »Noch
was?«, wollte er knapp und verschlossen wissen.
»Ja.« Böhnke ließ sich durch das brüske Verhalten
nicht abwimmeln. »Ihr Kollege Geffert hat angeblich Selbstmord begangen. Wissen
Sie etwas darüber?«
Bahn lachte kurz auf. »Angeblich ist gut. Der hat sich mit einer perfekten
Schlinge aufgehängt. Der war Segler und kannte alle Knoten. Das war Selbstmord,
mehr Selbstmord geht gar nicht.«
»Und Ihrer Meinung nach hat keiner nachgeholfen?« Böhnke war enttäuscht
über das geringe Interesse von Bahn und dessen Bereitschaft, die von der Polizei
in Umlauf gebrachten Informationen als selbstverständlich hinzunehmen.
»Wer denn? Wenn Sie einen finden, sagen Sie mir bitte Bescheid. Dann
finde ich vielleicht sogar wegen einer Exklusivgeschichte einen neuen Job. Aber
daran glaube ich nicht.«
Gefferts Bruder habe Zweifel am Selbstmord, gab Böhnke zu bedenken,
ohne auf Bahns Zynismus einzugehen.
Doch der Journalist ließ sich dadurch nicht beirren. »Ist natürlich
klar, dass die Angehörigen so reagieren, müssten Sie als alter Kommissar ja selbst
wissen. Und die angeblich geheime Botschaft in dem sogenannten Abschiedsbrief ist
auf jeden Fall Kinderkram«, gab sich Bahn überzeugt.
»Demnach haben Sie den Brief gelesen?«, fragte Böhnke erstaunt.
»Gesehen, gelesen, kopiert und an meine Pinnwand geheftet«, bestätigte
Bahn. Er wolle ja ein Andenken an seinen Kollegen haben. Allerdings glaube er nicht
an die Mordtheorie.
»Und Küpper übrigens auch nicht«, bestätigte er, was der Kommissar
im Gespräch mit Böhnke bereits zum Ausdruck gebracht hatte. »Also lassen wir den
Toten in Frieden ruhen. Und Sie lassen mich nun bitte in Ruhe, meine Frau will mit
mir ins Kino.«
Eine letzte Frage habe er, bat Böhnke erneut um Gehör. »Ich habe hier
die Telefonnummer eines Pfarramtes in Belgien und eine zweite, ebenfalls aus Belgien.«
»Da kann ich Ihnen helfen. Geffert hat alle Pastöre entlang der deutsch-niederländischen
und der deutsch-belgischen Grenze abgeklappert und ist bei diesem Popen hängengeblieben,
weil der angeblich so merkwürdige Andeutungen während des Telefonats mit Geffert
gemacht hätte.« Der wisse mehr, als er sage, habe Geffert ihm erklärt.
Er könne sich nicht vorstellen, was das sein soll, doch irgendetwas
würde dieser Typ wissen. Da müsse er sein Glück dort noch einmal versuchen, schlug
Bahn dem Kommissar vor. »Die zweite Nummer könnte die vom belgischen Grenz-Echo
in Eupen sein. Ich habe sie über Kollegen herausbekommen und Geffert gegeben. Er
wollte mit der Redaktion über seine Recherche sprechen.«
»Haben Sie die Nummer zufällig parat?«, fragte Böhnke vorsichtig. Es
kam ihm merkwürdig vor, dass die Nummer einer Redaktion ständig nicht besetzt sein
sollte.
»Klar doch!« Bahn raschelte unüberhörbar in Papieren und nannte eine
lange Zahlenfolge, die Böhnke schnell notierte.
Er habe ihm sehr geholfen, bedankte sich der Kommissar a. D. höflich.
»Was bin ich Ihnen schuldig?«
»’Nen Job oder wenigstens ’ne Exklusivgeschichte«, lachte Bahn verbittert.
Der Vergleich der von Bahn genannten mit der im Kalender von Geffert
verzeichneten Nummer brachte rasch die Erklärung: Geffert hatte zwei Ziffern verdreht.
Böhnke wählte die neue, vermeintlich richtige Nummer und erhielt problemlos
eine Verbindung zur Eupener Redaktion des Grenz-Echos; wie er wusste, die einzige
deutschsprachige Tageszeitung in Belgien.
7.
Böhnke sollte nicht zur Ruhe kommen. Kaum hatte er das allabendliche
Gespräch mit seiner Lebensgefährtin beendet, da klingelte sein Handy eindringlich
und fordernd. Er verfluchte den Tag, an dem er es aufgegeben hatte, seine Handynummer
geheim zu halten. Doch der Anrufer besaß die Nummer längst, weil Böhnke es damals
nach Erwerb des Gerätes versäumt hatte, die Rufnummernunterdrückung zu aktivieren.
»Sümmerling«, meldete sich kurz und knapp der Anrufer, nachdem Böhnke
die Verbindung aufgenommen hatte. »Na, überrascht, von mir zu hören?«
Sollte er tatsächlich überrascht sein?, fragte sich Böhnke insgeheim.
Es
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