Dreiländermord
war ja offensichtlich, dass um ihn herum die journalistischen Buschtrommeln dröhnten.
Was sollte also die Geheimniskrämerei von Sümmerling? Mit dem umtriebigen Redakteur
der Aachener Zeitung hatte er schon während seiner Zeit im Polizeidienst und unlängst
bei dem Mord an dem Makler in Huppenbroich zu tun gehabt. Wenn einer die Flöhe husten
hörte, dann war es der Journalist aus Aachen, wie Böhnke aus der Zusammenarbeit
respektvoll bescheinigte.
»Lassen Sie mich raten«, schlug er vor. »Ein Kollege des Dürener Tageblatts
namens Geffert hat Sie vor einiger Zeit um die Kontaktdaten eines Kollegen aus dem
deutschsprachigen Bereich von Belgien gebeten und Sie haben ihm die Rufnummer des
Grenz-Echos genannt. Eben hat Sie Ihr Kollege Bahn angerufen und Ihnen mitgeteilt,
dass ich mit ihm über Geffert und diese Telefonnummer gesprochen habe. Stimmt’s?«
»Rrrrichtig«, antwortete Sümmerling gelassen im rollenden Sprachstil
eines bekannten Telefonkomikers. Paul Panzer fand immer mehr Nachahmer. War er tatsächlich
sehr ruhig oder überspielte er nur seine Überraschung? Böhnke war sich da nicht
sicher.
»Es ist ja nicht so, dass wir unter Kollegen immer nur Geheimnisse
haben. Man hilft sich auch, wenn man kann«, behauptete Sümmerling.
Andere hätten ihm wahrscheinlich geglaubt, Böhnke hingegen wusste aus
der langjährigen Erfahrung im Umgang mit den Medienvertretern, dass bei aller äußerlich
gezeigten Kollegialität die gegenseitige Konkurrenz viel höher zu bewerten war.
Kein Journalist ließ sich gerne von einem anderen eine interessante Neuigkeit vorsetzen.
Ganz ohne Gegenleistung gab es keine Hilfe untereinander.
»Und deshalb haben Sie als Menschenfreund ganz uneigennützig Ihre Möglichkeiten
aktiviert, um Ihrem netten Kollegen des Dürener Tageblatts behilflich zu sein«,
entgegnete Böhnke mit unüberhörbarer Ironie. Sümmerling sollte bloß nicht glauben,
er hätte es mit einem Träumer von einer heilen Welt zu tun.
»Na ja. Natürlich nicht ganz uneigennützig. Ich habe die Recherche
gerne für mich übernommen und hätte vielleicht eine eigene Serie gemacht, bevor
Geffert aus den Puschen gekommen wäre«, bekannte der Journalist freimütig. »Und
jetzt bin ich quasi konkurrenzlos.« Er hüstelte. »Da ich weiß, dass Sie im Geschäft
sind, können wir, sagen wir mal, zusammenarbeiten. Kostet überhaupt nichts.« Er
habe ihm ein Angebot zu machen, schlug Sümmerling vor.
»Ich hole Sie morgen Mittag ab und zusammen fahren wir nach Eupen.
Dort habe ich mich mit einem Kollegen verabredet, der für das deutschsprachige Programm
beim belgischen Rundfunk verantwortlich ist. Wir treffen uns bei ihm mit dem Redakteur
des Grenz-Echos, mit dem Geffert in Kontakt stand. Da können Sie aus erster Hand
erfahren, was Geffert erfahren wollte oder sollte.«
»Was sollte oder wollte er denn erfahren?«, erkundigte sich Böhnke
plump, überrascht von Sümmerlings Angebot. Zugleich fühlte er sich bestätigt in
seiner Auffassung über die vermeintliche Kollegialität unter Journalisten verschiedener
Medien. Geffert hatte Sümmerling um einen Gefallen gebeten, den er gerne gewährte,
gleichzeitig kochte er aber auch sein eigenes Süppchen.
»Das weiß ich auch nicht«, behauptete Sümmerling. »Ein bisschen Spannung
muss schließlich bleiben. Oder? Ich hole Sie morgen gegen 13 Uhr ab. Einverstanden?«
Warum nicht?
»Ich könnte mir nichts Besseres vorstellen, als mit Ihnen den morgigen
Nachmittag zu verbringen«, brummte Böhnke, um damit das Telefonat zu beenden.
»Moment mal!« Sümmerling hatte noch etwas auf dem Herzen. »Sie sind
doch bestens im Bilde, Herr Böhnke«, schmeichelte er. »Wissen Sie, ob Geffert tatsächlich
einen Abschiedsbrief hinterlassen hat? Ich habe da so ein Gerücht gehört. Allerdings
konnte oder wollte Bahn mir nicht weiterhelfen.«
Eine bessere Vorlage konnte er Böhnke mit diesem Beispiel von vermeintlicher
Kameradschaft und tatsächlicher Konkurrenz unter Journalisten nicht geben.
»Wenn schon Gefferts Kollege Bahn Ihnen nichts sagen kann, wie soll
es dann ein frühpensionierter Kriminalbeamter können, der weitab vom Schuss in der
Eifel hockt? Ich erhalte meine Informationen auch nur von Bahn.«
Notgedrungen begnügte sich Sümmerling mit dieser unbefriedigenden Auskunft
»Dann bis morgen.«
Böhnke schimpfte mit sich selbst. Er ließ sich immer tiefer in diese
Geschichte hineinziehen, von der er nicht einmal wusste, ob es tatsächlich eine
Geschichte war.
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