Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
leise stritt – die Frau blond und attraktiv mit zu viel Lidschatten –, und steckte sich endlich die Zigarette an. Dabei sah er sich in dem Raum um und entdeckte die Tür zum Arbeitszimmer, die, wie er wusste, für gewöhnlich abgeschlossen war. Dorthin zu kommen war also nicht schwer. Alles befand sich im Erdgeschoss, und es gab keine Gitter. Der Tresor war in einem Einbauschrank neben dem Fenster. Er musste es sich noch von außen ansehen, doch dieses Fenster stellte einen möglichen Zugang dar. Ein weiterer könnte die Terrassentür sein, vor der die Musiker spielten. Eine Diamantspitze oder ein Schraubenzieher für das Fenster, ein Dietrich für das Schloss der Bürotür. Eine Stunde Zeit, ein bisschen Glück, und die Sache wäre geritzt. Fürs Erste zumindest.
Er hielt sich schon zu lange allein im Vorraum auf, und das war nicht ratsam. Er inhalierte den Rauch seiner Zigarette und schaute sich lässig um. Die letzten Besucher trafen ein. Mit manchen Gästen war er bereits kurz in Kontakt getreten, hatte freundlich gelächelt und Nettigkeiten ausgetauscht, war den Damen formvollendet und ihren Gatten und Begleitern mit scheinbar herzlicher Offenheit begegnet. Nach dem Essen wurde zum Tanz aufgespielt, und normalerweise boten sich damit für Max fast unfehlbare Gelegenheiten – insbesondere mit verheirateten Frauen, denn die hatten meistens Probleme, was ihm den Weg ebnete und das Gespräch ersparte –, doch an diesem Abend würde er sich hüten, so gefahrenträchtiges Gelände zu betreten. Er durfte keine Aufmerksamkeit erregen. Nicht dort, unter gar keinen Umständen. Dafür stand zu viel auf dem Spiel. Während er sich durch die Räume bewegte, hatte er ohnehin schon einige weibliche Blicke auf sich gezogen und die eine oder andere geraunte Bemerkung aufgeschnappt, wer wohl dieser attraktive Mann sein mochte und dergleichen mehr. Max war fünfunddreißig und hatte sich schon fünfzehn Jahre lang in der Interpretation von Blicken geübt. Man schrieb seine Anwesenheit dort vage einer Liaison mit Asia Schwarzenberg zu, und es war gut, wenn sie das weiterhin glaubten. Er entschied sich für eine Gruppe aus zwei Männern und einer Frau. Die Frau und einer der Männer saßen auf einem Sofa aus Leder und Stahlrohr, der zweite Mann stand vor ihnen, und sie unterhielten sich angeregt. Mit demjenigen auf dem Sofa, einem leicht fülligen Mann mit blondem Schnauzbärtchen, Bürstenhaarschnitt und sympathischem Gesicht, hatte Max gleich nach seiner Ankunft ein paar schalkhafte Worte gewechselt und eine Visitenkarte erhalten: Ernesto Keller, chilenischer Konsularagent in Nizza. Die Frau kam ihm ebenfalls bekannt vor, eine Schauspielerin, glaubte er sich zu entsinnen. Auch Spanierin. Schön und ernst. Conchita Soundso. Monteagudo vielleicht. Oder Montenegro. Noch hatte er sich nicht vom Fleck gerührt, sondern sich in dem großen Spiegel betrachtet, der in einem glatten, ovalen Rahmen über einer schmalen Glaskonsole hing: schneeweiß das Hemd unter den schwarzen Satinaufschlägen, das Tüchlein, das aus der Brusttasche lugte, die Manschetten, von denen ein Streifen in der vorschriftsmäßigen Breite aus den Ärmeln der taillierten Smokingjacke schaute, eine Hand lässig in dierechte Hosentasche geschoben, die andere mit der Zigarette halb erhoben, wodurch ein Stückchen von Armband und Gehäuse der extraflachen, goldenen, achttausend Francs teuren Patek-Philippe-Uhr zu sehen war. Dann senkte er den Blick auf das große braunweiße Rautenmuster des Teppichs unter seinen Lackschuhen und dachte, wie so oft, an seinen Freund, den Legionsgefreiten Boris Dolgoruki-Bragation. Was er während zweier Gläser Cognac gesagt und wie er gelacht hätte, wenn er noch am Leben wäre und ihn in diesem Aufzug sehen könnte. Seit er als kleiner Junge in Buenos Aires am Ufer des Riachuelo gespielt hatte oder als Soldat, das Gewehr im Anschlag, zwischen den in der Sonne dörrenden Leichen den verkohlten Hang des Monte Arruit hinaufgestiegen war, hatte Max Costa einen langen Weg zurücklegen müssen bis auf diesen Teppich in einer Villa an der Côte d’Azur. Und es lag noch ein schwieriger Streckenabschnitt vor ihm, zunächst der bis zur Tür des Arbeitszimmers hinter der Bibliothek, so verschlossen und unergründlich wie das Schicksal. Er zog noch einmal kurz und kräftig an seiner Zigarette, und bei dem Gedanken, dass er auf gewissen Wegen vor Zufällen und Risiken wohl niemals vollkommen gefeit sein würde, schob sich das Bild Fito
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