Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
sauber, trotz deiner Gaunereien. So gesund. Loyal und geradlinig. Ein guter Soldat.«
»Um Himmels willen, Mecha. Du warst ...«
»Was ich war, spielt jetzt keine Rolle mehr.« Mit einem Schlag ist sie todernst. »Aber du bist immer noch ein Schwindler. Sieh mich nicht so an. Ich kenne diesen Blick nur zu gut. Besser, als du glaubst.«
»Ich sage die Wahrheit«, protestierte Max. »Ich hatte nie das Gefühl, dir irgendetwas zu bedeuten.«
»Und deshalb bist du Hals über Kopf aus Nizza abgehauen? Du lieber Gott. Du bist genauso dumm wie alle anderen. Eben das war dein Fehler.«
Sie hat sich in ihrem Stuhl zurückgelehnt und bleibt eine Weile so, als forsche sie in den gealterten Zügen des Mannes, der ihr gegenübersitzt, nach ihren eigenen Erinnerungen.
»Du hast dich auf feindlichem Territorium bewegt«, fährt sie schließlich fort. »Mitten in einem andauernden Krieg:Man brauchte dir bloß in die Augen zu sehen. In solchen Momenten wird uns Frauen klar, dass ihr Männer sterblich und nur auf der Durchreise seid, unterwegs zu irgendeiner Front. Und dann fühlen wir uns imstande, uns ein kleines bisschen mehr in euch zu verlieben.«
»Ich mochte Kriege noch nie. Typen meines Schlages verlieren sie meistens.«
»Das ist jetzt auch egal.« Sie nickt kühl. »Aber ich freue mich, dass du dein treuherziges Lächeln nicht eingebüßt hast. Diese Eleganz, die du aufrechterhältst wie das letzte Fähnlein von Waterloo. Du erinnerst mich sehr an den Mann, den ich vergessen habe. Du bist alt geworden, und damit meine ich nicht dein Äußeres. Vermutlich geht das jedem so, der es zu so etwas wie Erkenntnis gebracht hat. Hast du Erkenntnisse gewonnen, Max?«
»Wenige. Nur die, dass Menschen zweifeln, sich erinnern und sterben.«
»Daran muss es liegen. Es ist der Zweifel, der einen jung hält. Durch Gewissheit infiziert man sich mit dem bösartigen Virus, der das Altern auslöst.«
Sie hat die Hand wieder auf den Tisch gelegt. Ihre vom Leben und der Zeit gesprenkelte Hand.
»Erinnerungen, sagst du. Menschen erinnern sich und sterben.«
»In meinem Alter, ja«, bestätigt er. »Da bleibt sonst nichts mehr.«
»Und wie steht es mit Zweifeln?«
»Wenige. Nur Ungewissheiten, was nicht dasselbe ist.«
»Und woran erinnere ich dich?«
»An Frauen, die ich vergessen habe.«
Sie scheint seine Gereiztheit bemerkt zu haben, denn sie legt den Kopf schräg und sieht ihn neugierig an.
»Du lügst«, sagt sie schließlich.
»Beweise es.«
»Das werde ich. Ich versichere dir, dass ich das tun werde. Gib mir noch ein paar Tage.«
Er nippte an seinem Gin Fizz und musterte die anderen Gäste. Sie waren fast alle erschienen, ungefähr zwanzig Personen. Man war in Abendgarderobe, die Herren im Smoking, die meisten Frauen trugen tiefe Rückendekolletees und diskreten Schmuck, die höfliche Konversation wurde vorwiegend auf Französisch oder Spanisch betrieben. Es handelte sich um Freunde und Bekannte von Susana Ferriol. Einige von ihnen waren Kriegsflüchtlinge, jedoch eben nicht die Art, die in den Wochenschauen der Kinos gezeigt wurde; die übrigen gehörten der internationalen Oberschicht an, die sich dauerhaft in Nizza und Umgebung niedergelassen hatte. Die Gastgeberin nutzte die Gelegenheit, ihren ortsansässigen Freunden Herrn und Frau Coll vorzustellen, ein katalanisches Paar, das der roten Zone entkommen war. Zu ihrem Glück besaßen die Eheleute, neben einer Wohnung in einem von Gaudí erbauten Haus in Barcelona, einem Landsitz in Palamós und einigen Fabriken und Lagerhallen, die jetzt von ihren Arbeitern verwaltet wurden, genügend Geld auf europäischen Bankkonten, um abzuwarten, bis alles wieder ins Lot kam. Einige Minuten zuvor hatte Max einem lebhaften Gespräch beigewohnt, in dem Frau Coll – breite Hüften, große Augen, klein und quirlig – einigen anderen Gästen erzählte, dass sie und ihr Mann anfangs unschlüssig gewesen seien, ob sie nach Biarritz oder nach Nizza gehen sollten, sich aber wegen des milderen Klimas schließlich für Nizza entschieden hätten.
»Die liebe Suzi war so nett, uns eine Villa zu suchen, die wir mieten konnten. Gleich hier in Boron. Das Savoy ist in Ordnung, aber es ist nicht dasselbe. Es geht doch nichts über eigene vier Wände. Außerdem ist es mit dem Train Bleu nur ein Katzensprung nach Paris.«
Max stellte sein leeres Glas auf einen Tisch an einem der großen Fenster und sah hinaus: ein kiesbestreuter Weg und vor dem Haupteingang die Rotunde mit den üppigen
Weitere Kostenlose Bücher