Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Sra. Inzunza.
»Und was machst du hier?«, fragte er sie.
»Ich bin wegen der Situation in Spanien ganz in die Nähe gezogen ... In Antibes habe ich ein Haus gemietet, und manchmal besuche ich Suzi. Wir kennen uns seit der Schulzeit.«
Im Speisezimmer war der Tisch mit glänzendem Silberbesteck gedeckt und mit spiralförmigen Kandelabern aus rotem, grünem und blauem Kristall geschmückt. Die Gäste nahmen Platz, und Susana Ferriol – die, wie Max annahm, sicher nicht einmal mehr seinen Namen wusste –, streifte ihn und Mecha mit einem leicht verwirrten Blick, überrascht, ihn im traulichen Zwiegespräch mit ihrer Freundin zu sehen.
»Und du, Max? Du hast mir immer noch nicht gesagt, was du in Nizza machst. Obwohl ich so meine Vermutungen habe.«
Er lächelte. Weltmännisch, erschöpft, gewinnend. Akkurat kalkuliert.
»Vielleicht liegst du falsch mit deinen Vermutungen.«
»Wie ich sehe, hast du dein Lächeln perfektioniert.« Mit spöttischer Bewunderung musterte sie ihn von Kopf bis Fuß. »Was hast du sonst noch perfektioniert in den letzten Jahren?«
In der Nähe der Kathedrale von Sorrent erkennt er von weitem Irina Jasenovic: Sonnenbrille, bedrucktes Minikleid, flache Sandalen. Das Mädchen betrachtet das Schaufenster eines Bekleidungsgeschäfts auf dem Corso Italia, und Max behält sie von der anderen Straßenseite aus im Auge, bis sie in Richtung der Piazza Tasso weitergeht. Er verfolgt sie auskeinem bestimmten Grund, es ist nur der Drang, sie unauffällig zu beobachten, seit er von der Möglichkeit einer geheimen Verbindung zwischen ihr und dem Stab des russischen Schachspielers weiß. Neugierde, vielleicht. Der Wunsch, ein wenig tiefer ins Innere des Komplotts vorzudringen. Er hatte bereits Gelegenheit, etwas Ähnliches mit Emil Karapetian zu tun, als er ihn nach dem Frühstück in einem der Salons antraf, wo Karapetian seinen massigen Körper in einen Sessel gezwängt hatte und inmitten von Zeitungen saß. Die Begegnung beschränkte sich auf eine höfliche Begrüßung, ein paar Worte über das schöne Wetter und einige Bemerkungen zum Verlauf des Turniers, worauf der Russe die aufgeschlagene Zeitung auf die Knie legte und sich ohne große Begeisterung – nicht einmal beim Thema Schach scheint Karapetian seine Einsilbigkeit aufzugeben – zu einem kurzen Gespräch mit diesem formvollendeten, grauhaarigen, freundlich lächelnden Herrn bewegen ließ, mit dem die Mutter seines Schützlings allem Anschein nach eine alte Freundschaft verbindet. Und als Max aufstand, damit der andere sich wieder in Ruhe seiner Zeitungslektüre widmen konnte, hatte er lediglich die Erkenntnis gewonnen, dass der Armenier unerschütterlich auf die Überlegenheit seines ehemaligen Schülers vertraute und nicht bezweifelte, dass Jorge Keller, wie auch immer das Turnier von Sorrent ausgehen mochte, in ein paar Monaten Weltmeister sein würde.
»Er ist das Schach der Zukunft«, beantwortete er Max’ Frage mit seinem längsten Satz der gesamten Unterhaltung. »Wenn er vom Brett aufsteht, wird der defensive Stil der Russen nach Mottenpulver riechen.«
Karapetian wirkt nicht wie ein Verräter, schlussfolgert Max. Jedenfalls nicht wie einer, der seinen eigenen Schüler für dreißig Silberrubel verkauft. Das Leben allerdings hat Doktor Hugentoblers Chauffeur gelehrt – auf eigene Kosten, auf Kosten anderer –, wie leicht es sein kann, jemanden zuverraten oder zu betrügen. Wie leicht es vor allem ist, dem Verräter, solange der noch nicht endgültig entschlossen ist, einen letzten Anstoß, eine Art zusätzlicher Hilfestellung zu geben, was oft genug durch den Verratenen selbst geschieht. Davor ist niemand sicher, denkt er nüchtern, fast erleichtert, während er in einigem Abstand Jorge Kellers Freundin über den Corso Italia folgt. Wer könnte sich schon im Spiegel in die Augen sehen und dabei sagen: Ich habe noch nie jemanden verraten und werde es auch niemals tun.
Das Mädchen hat sich in der Bar Fauno an einen Tisch gesetzt. Nach kurzer Überlegung geht Max auf sie zu, als habe er sie soeben entdeckt, und spricht sie an. Zuvor schaut er sich instinktiv nach allen Seiten um. Nicht dass er hinter den Palmen des Platzes sowjetische Agenten vermutet hätte. Und auch wenn der alte Wolf seine Reißzähne eingebüßt hat, denkt er mit plötzlich schrägem Humor, muss das Jagdrevier, in dem er gerade auf der Pirsch ist, ja nicht weniger böse Zufälle parat halten.
Erinnerungen an junge Frauen kommen ihm in den Sinn. Was er
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