Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Grünpflanzen, die unter den Palmen und Zypressen aufgereihten Autos, hochglänzend im Licht der elektrischen Laternen, die Gruppe rotglühender Punkte neben der Steintreppe, wo die Chauffeure rauchend beieinanderstanden – Max war mit dem Chrysler Imperial der Baronin Schwarzenberg gekommen, die jetzt im angrenzenden Salon saß und mit einem brasilianischen Filmschauspieler plauderte –, und jenseits der Bäume des Gartens der glitzernde Bogen der Stadt um die dunkle Wasserfläche, in der wie eine kleine keilförmige Brosche die Jetée-Promenade funkelte.
»Noch einen Cocktail, der Herr?«
Max lehnte ab, und während sich der Kellner entfernte, ließ er weiter den Blick schweifen. Der Salon, wo eine kleine Jazz-Combo spielte, war erfüllt vom Duft der Blumengebinde in den blauen und roten Glasvasen. In zwanzig Minuten würde das Essen aufgetragen werden. Im Speisezimmer war, wie man durch die Glastür erkennen konnte, für zweiundzwanzig Personen gedeckt. Laut einer Papptafel neben der Tür war für Herrn Costa ein Platz fast am Ende der Tafel vorgesehen. Seine Rolle war hier lediglich die des Begleiters von Baronin Schwarzenberg und gesellschaftlich somit belanglos. Als er Susana Ferriol vorgestellt wurde, hatte sie ihn mit dem exakten Lächeln und den angemessenen Grußworten empfangen, wie es sich für eine gute und pflichtbewusste Gastgeberin geziemte – wie schön, Sie bei uns zu haben, sehr erfreut, Sie kennenzulernen –, ihn hereingebeten, mit einigen Gästen bekannt gemacht, in der Nähe der Kellner platziert und vorerst vergessen. Susana Ferriol, Suzi für ihre Freunde, war eine dunkelhaarige, gertenschlanke Frau, fast so groß wie Max, mit kantigen, harten Zügen und auffallenden schwarzen Augen. Sie trug kein herkömmliches Abendkleid,sondern ein mondänes Hosenensemble, weiß mit Silberstreifen, das ihre extrem schmale Gestalt ausgesprochen gut kleidete, und Max hätte einen seiner perlmutternen Manschettenknöpfe darauf verwettet, dass irgendwo im Innenfutter ein Etikett von Chanel eingenäht war. Tomás Ferriols Schwester bewegte sich zwischen ihren Gästen mit einer trägen, vornehmen Überspanntheit, die allzu beabsichtigt wirkte. Wie die Baronin Schwarzenberg, in die Polster des Autos geschmiegt, auf dem Herweg bemerkt hatte, könne Eleganz durch Geld, Erziehung, Übung und Intelligenz erlangt werden, aber um sie mit vollkommener Natürlichkeit zu tragen, mein Lieber – im Licht der Scheinwerfer sah er sie maliziös lächeln –, müsse man schon als Säugling über echte Orientteppiche gekrabbelt sein. Und zwar seit mindestens zwei Generationen. Die Ferriols seien aber erst steinreich, seit der Vater während des Großen Krieges als Tabakschmuggler auf Mallorca den Grundstein zu ihrem Vermögen gelegt habe.
»Selbstverständlich gibt es Ausnahmen. Du bist eine davon, mein Lieber. Ich habe selten jemanden eine Hotelhalle durchschreiten, einer Dame Feuer geben oder beim Sommelier einen Wein bestellen sehen, wie du es tust. Und als ich auf die Welt kam, hieß Leningrad noch Sankt Petersburg ... Stell dir also vor, was ich alles gesehen habe und was ich heute sehe.«
Max schlenderte durch den Salon, lauernd wie ein Jäger. Obwohl ein typischer Bau vom Anfang des Jahrhunderts, war die Villa nach der neuesten Mode funktional und schnörkellos eingerichtet: schlicht, gerade Linien, nackte Wände – abgesehen von einigen zeitgenössischen Gemälden –, Stahlmöbel, poliertes Holz, Leder und Glas. Der wache, geübte Blick des ehemaligen Eintänzers registrierte jede Kleinigkeit, was das Haus betraf, aber auch die Gäste. Kleidung, Schmuck, Accessoires, Gespräche. Tabakqualm. Zwischen dem Salon und dem Eingangsbereich hielt er inne undzündete sich eine Zigarette an, um unauffällig die Treppe in Augenschein nehmen zu können. Nach dem Plan, den er in seinem Zimmer im Negresco studiert hatte, lagen weiter hinten die Bibliothek und das Büro, das Ferriol nutzte, wenn er sich in Nizza aufhielt. In die Bibliothek zu gelangen war kein Problem, denn die Tür stand offen, und man sah den Goldschnitt der Bücher in den Regalen schimmern. Das offene Zigarettenetui in der Hand, ging er noch ein paar Schritte und blieb wieder stehen. Diesmal tat er, als hörte er dem sanften Swing der fünf Musiker zu, die in ihren Galaanzügen nahe der Glastür zu einer Terrasse standen und umgeben von Grünpflanzen I Can’t Get Started spielten. Er lehnte sich in den Türrahmen der Bibliothek, wo ein französisches Paar
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