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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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Form vorliegt, den Schachspieler, der in den kommenden vier Wochen in Sorrent gegen den amtierenden Weltmeister, den Russen Michail Sokolow, antreten wird. Auf den Fotos in den Illustrierten sitzt Keller fast immer vor einem Schachbrett. Auf einigen sieht er sehr jung aus, ein Halbwüchsiger, der sich erheblich älteren Spielern stellt. Das aktuellste ist heute in einer Lokalzeitung erschienen: Keller, wie er in der Empfangshalle des Hotels Vittoria posiert, in derselben Jacke, mit der Max ihn am Morgen gesehen hat, als er mit den beiden Frauen durch Sorrent spazierte.
    »1938 in London als Sohn eines chilenischen Diplomaten geboren, versetzte Keller die Schachwelt in Erstaunen, als er während eines Simultanturniers auf der Plaza de Armas in Santiago de Chile den Amerikaner Reshevsky in Bedrängnis brachte. Damals war er vierzehn Jahre alt, und in den folgenden zehn Jahren erwies er sich als eines der außergewöhnlichsten Schachtalente aller Zeiten ...«
    Trotz dieser einzigartigen Karriere interessiert sich Max weniger für Kellers berufliche Entwicklung als für andere Aspekte seines Lebens, das familiäre Umfeld zum Beispiel. Und schließlich hat er darüber auch etwas gefunden: Sowohl im Scacco Matto als auch in den anderen Blättern, die sich mit dem Campanella-Preis beschäftigen, heißt es übereinstimmend, dass die Mutter des Schachwunderkindes nach ihrerScheidung von dem chilenischen Diplomaten einen maßgeblichen Einfluss auf die Karriere ihres Sohnes gehabt habe:
    »Die Kellers trennten sich, als der Junge sieben Jahre alt war. Mercedes Keller, die ihren ersten Mann im Spanischen Bürgerkrieg verloren hat, ist selbst vermögend und konnte ihrem Sohn ideale Bedingungen bieten. Als seine Schachbegabung zutage trat, ließ sie ihm die allerbeste Ausbildung angedeihen, schickte den Jungen zu den berühmtesten Lehrern, auf die einschlägigen Turniere, in Chile und anderswo, und es gelang ihr, den chilenisch-armenischen Großmeister Emil Karapetian als Mentor zu gewinnen. Der junge Keller enttäuschte die in ihn gesetzten Erwartungen nicht. Mühelos überflügelte er seine Altersgenossen, und unter der Obhut seiner Mutter und Meister Karapetians, die ihn bis heute begleiten und sich um sein Training und das Organisatorische kümmern, machte er rasche Fortschritte ...«
    Nachdem er das Archiv verlassen hat, steigt Max ins Auto, lässt den Motor an und fährt hinunter zur Marina Grande, wo er in der Nähe der Kirche parkt. Er schlendert hinüber zur Trattoria Stefano, die um diese Tageszeit noch geschlossen ist; in Hemdsärmeln, die Manschetten zweimal umgeschlagen, die Jacke über der Schulter, atmet er genüsslich die Brise, die von Osten her den Geruch nach Salz und ruhiger See herbeiweht. Auf der bambusgedeckten Terrasse des kleinen Restaurants verteilt ein Kellner Tischdecken und Besteck auf vier Tische, die fast direkt am Wasser stehen, gleich hinter den Fischerbooten, den Haufen von Netzen und Legeangeln mit ihren Posen und kleinen Bojen.
    Lambertucci, der Eigentümer, erwidert seinen Gruß mit einem Knurren, ohne den Blick vom Schachbrett zu heben. Mit der Unbefangenheit eines Stammgastes geht Max hinterden kleinen Tresen, wo die Registrierkasse steht, legt seine Jacke auf die Theke, schenkt sich ein Glas Wein ein und nähert sich dem Tisch, an dem der Restaurantbesitzer bei seiner täglichen Partie sitzt, die er mit dem Capitano Tedesco seit zwanzig Jahren um diese Uhrzeit austrägt. Antonio Lambertucci ist ein dürrer, schlaksiger Mann in den Fünfzigern. Er trägt ein schmuddeliges Achselhemd, und man kann seine Tätowierung am Oberarm sehen, ein Andenken an die Zeit, in der er Soldat in Abessinien war, bevor er eine Weile in einem südafrikanischen Kriegsgefangenenlager verbrachte und schließlich die Tochter von Stefano, dem Besitzer der Trattoria, heiratete. Dem Gesicht seines Kontrahenten verleiht eine schwarze Klappe, die er anstelle des in Bengasi eingebüßten linken Auges trägt, etwas Furchterregendes. Sein Spitzname Capitano kommt nicht von ungefähr: Diesen Rang hatte der wie Lambertucci aus Sorrent stammende Tedesco im Krieg bekleidet, doch während der gemeinsamen dreijährigen Gefangenschaft in Durban, ohne andere Zerstreuung als ihr Schachspiel, waren die militärischen Hierarchien bedeutungslos geworden. Abgesehen von den grundsätzlichen Zugmöglichkeiten der Figuren versteht Max nicht viel von diesem Spiel – heute im Archiv hat er mehr gelernt als in seinem ganzen Leben zuvor –,

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