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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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sich den starken, süßlichen Anisgeschmack auf der Zunge zergehen. Der andere Italiener, Tignanello, blieb stehen und spähte mit seinem üblichen melancholischen Misstrauen in die Runde. Sein Partner warf ihm einen wortlosen Blick zu, und er verdrückte sich in Richtung des Zeitungskiosks, von wo aus er, wie Max vermutete, den Platz unauffällig im Auge behalten konnte.
    Max sah sich sein Gegenüber genau an. Er hatte eine lange Nase und große, tief in den Höhlen liegende Augen. Er ist älter geworden, dachte Max. Aber sein Grinsen war dasselbe.
    »Es heißt, du seist Faschist geworden, Enrico«, sagte er sanft.
    »Etwas muss man ja werden in Zeiten wie diesen.«
    Mauro Barbaresco lehnte sich zurück, als wäre er nicht ganz sicher, ob er Lust auf diese Unterhaltung hatte.
    »Kommen wir zur Sache«, verlangte er.
    Max und Enrico Fossataro sahen einander in die Augen, während sie tranken. Vor dem letzten Schluck hob der Italiener das Glas, prostete Max zu und leerte es dann. Max tat es ihm nach.
    »Wenn es dir nichts ausmacht«, sagte Max, »können wir uns die ganzen Vorreden, von wegen lange nicht gesehen, schlimm siehst du aus und so weiter, gerne sparen.«
    »In Ordnung«, nickte Fossataro.
    »Was machst du denn jetzt so?«
    »Es geht mir nicht schlecht. Ich habe einen staatlichen Posten in Turin. Beamter der Regierung von Piemont.«
    »Politik?«
    Die Miene des Italieners verzog sich mit theatralischer Entrüstung. Und einem Augenzwinkern.
    »Öffentliche Sicherheit.«
    »Ah.«
    Max schmunzelte bei dieser Vorstellung. Fossataro in einem Büro. Der Fuchs als Wächter im Hühnerstall. Zum letzten Mal hatten sie sich vor drei Jahren gesehen und gemeinsam einen zweigleisigen Coup abgewickelt: eine Villa in den Hügeln von Florenz und eine Suite im Excelsior – wobei Max vorab im Hotel den Part des Charmeurs und Fossataro nachts in der Villa den des Technikers übernommen hatte – mit Blick auf den Arno und Schwadronen von Schwarzhemden, die über die Piazza Ognissanti marschierten und die Giovinezza sangen, nachdem sie ein paar Pechvögel zu Tode geprügelt hatten.
    »Ein Schützling«, sagte er schlicht. »Von neunzehnhundertdreizehn.«
    »So viel hat man mir schon gesagt: Tresor in Stilmöbeloptik, Holzimitat, mit falschen Blenden über den Schlössern ... Erinnerst du dich an das Haus in der Rue de Rivoli? Das von dieser rothaarigen Engländerin, die du ins Procope zum Essen eingeladen hast?«
    »Ja. Aber damals waren die Metallarbeiten deine Aufgabe. Ich habe mich um die Dame gekümmert.«
    »Macht nichts. Das ist einer von den einfachen.«
    »Dich zu fragen, ob du es machst, ist sicher sinnlos. In deiner Position.«
    Wieder bleckte der andere die Zähne. Seine dunklen Augen schienen aus ihren tiefen Höhlen heraus um Verständnis zu bitten.
    »Ich sage dir doch, diese Safes sind nicht kompliziert. Mechanisches Zahlenschloss mit Falle, kein Stiftschloss: eine dreistellige Zahl und der Schlüssel.« Er griff in die Jackentasche und zog einige Blaupausen hervor. »Ich habe dir ein paar Zeichnungen mitgebracht. Du wirst nicht lange brauchen, sie dir einzuprägen. Willst du dir den Tresor bei Tag oder nachts vornehmen?«
    »Nachts.«
    »Wie viel Zeit hast du insgesamt?«
    »Nicht viel. Es sollte schnell gehen.«
    »Kannst du eine Bohrmaschine verwenden?«
    »Ich kann gar kein Werkzeug verwenden. Es sind Leute im Haus.«
    Fossataro runzelte die Stirn.
    »Wenn du es nach Gefühl machen willst, brauchst du mindestens eine Stunde. Erinnerst du dich an den Bode-Panzer in Prag? Der hat uns schier um den Verstand gebracht.«
    Max lächelte. September 1932. Er die halbe Nacht schwitzend im Bett einer Frau – durch das Fenster sah man die Kuppel der Sankt-Nikolaus-Kirche –, während sich Fossataro im Untergeschoss im Licht einer Taschenlampe geräuschlos im Arbeitszimmer des abwesenden Gatten zu schaffen machte.
    »Freilich erinnere ich mich.«
    »Ich habe dir eine Liste mit Originalkombinationen dieses Modells mitgebracht, das wird dir Zeit und Arbeit ersparen.« Er bückte sich, ergriff das Köfferchen, das zwischen seinen Beinen stand, und reichte es Max. »Außerdem ist hier ein hundertdreißigteiliges Pickset drin. Nagelneu.«
    »Oje ...« Der Koffer war sehr schwer. Max stellte ihn auf den Boden zu seinen Füßen. »Wo hast du die her?«
    »Du ahnst nicht, wozu ein offizielles Amt in Italien alles gut ist.«
    Max nahm sein Schildpattetui aus der Tasche und legte es auf den Tisch. Fossataro öffnete es

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