Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
ungeniert, nahm eine Zigarette heraus und steckte sie sich in den Mund.
»Du siehst gut aus.« Er legte das Etui wieder hin und bedeutete Barbaresco, der ihnen stumm zuhörte, sich zu bedienen. »Mein Freund Mauro sagt, bei dir laufe alles bestens.«
»Ich kann mich nicht beklagen.« Max hatte sich vorgebeugt, um ihm Feuer zu geben. »Zumindest habe ich mich nicht beklagt, bis vor kurzem.«
»Es sind schwierige Zeiten, mein Freund.«
»Das kannst du laut sagen.«
Fossataro nahm ein paar Züge von seiner Zigarette und betrachtete sie zufrieden, beglückt über die Qualität des Tabaks.
»Sie sind keine schlechten Jungs.« Er wies auf Tignanello, der immer noch am Kiosk stand, und schloss Barbaresco dann in seine Geste mit ein. »Sie können ganz schön sauer werden, klar. Aber wer kann das nicht? Den trübseligen Kerl aus dem Süden kenne ich weniger, aber Mauro und ich hatten früher geschäftlich miteinander zu tun. Stimmt’s?«
Der Angesprochene sagte kein Wort. Er hatte den Hut abgenommen und strich sich mit der Hand über die gebräunte Glatze. Er wirkte müde und wünschte sich offensichtlich das Ende dieser Unterhaltung herbei. Sein Kumpel und er, dachte Max, sahen immer müde aus. Vielleicht war das eine wesentliche Eigenschaft italienischer Spione. Diese Müdigkeit. Möglicherweise zeigten ihre englischen, französischen oder deutschen Kollegen mehr Enthusiasmus für ihre Arbeit. Vielleicht. Glaube versetze Berge, hieß es. Welchen zu haben, war in einigen Berufen sicherlich von Nutzen.
»Deshalb ist er auch zu mir gekommen, als er hörte, dass im Zusammenhang mit dieser Sache dein Name fiel«, fuhr Fossataro fort. »Ich habe ihm gesagt, du wärst ein netter Kerl, auf den die Frauen fliegen. Im Smoking könnte keiner eine bessere Figur machen als du, und auf der Tanzfläche würdest du jeden Profi in den Schatten stellen ... Ich habe auch gesagt, mit deinem Aussehen und deinem Mundwerk wäre ich schon seit Jahrzehnten im Ruhestand und hätte nicht das geringste Problem damit, einer Millionärin den Pudel Gassi zu führen.«
»Vielleicht warst du immer etwas schwatzhaft«, schmunzelte Max.
»Mag schon sein. Aber versetz dich in meine Lage. Die Vaterlandspflicht. Credere, obbedire, combaterre und das alles ...«
Fossataro blies einen perfekten Ring aus Rauch, ehe er weitersprach.
»Ich nehme an, du weißt oder hast zumindest den Verdacht, dass Mauro nicht Barbaresco heißt.«
Max sah den Erwähnten an, der bisher mit unbeteiligter Miene zugehört hatte.
»Spielt keine Rolle, wie ich heiße«, sagte der.
»Stimmt«, pflichtete Max bei.
Fossataro blies einen weiteren Rauchring, der ihm nicht so perfekt gelang wie der erste.
»Unser Land ist ein kompliziertes Land«, meinte er. »Das Gute daran ist, dass wir Italiener doch immer einen gemeinsamen Nenner finden. Guardie e ladri ... Das war vor Mussolini so, ist mit ihm so und wird auch nach ihm so sein, wenn er irgendwann wieder weg ist.«
Barbaresco hörte weiter regungslos zu, und Max fing an, ihn zu mögen. Er stellte sich vor, wie dasselbe Gespräch in Gegenwart eines Spions anderer Nationalität verliefe: Ein englischer Agent hätte mit patriotischer Empörung reagiert,ein deutscher hätte sie nur verständnislos und geringschätzig angeblickt, und ein spanischer hätte zu allem eifrig genickt und Fossataro dann schleunigst angezeigt, weil er sich damit bei jemandem einschmeicheln wollte oder einfach weil er ihm die Krawatte neidete. Max öffnete das Etui und hielt es Barbaresco hin, doch der schüttelte den Kopf. Hinter ihm hatte Tignanello sich mit einer Zeitung auf eine der Holzbänke gesetzt, die um den Platz standen, als täten ihm die Beine weh.
»Du hast Beziehungen, Max«, sagte Fossataro. »Wenn alles gut geht, wirst du neue Freunde haben. Auf der richtigen Seite. Es ist vernünftig, an die Zukunft zu denken.«
»Wie du.«
Er sagte es scheinbar beiläufig, damit beschäftigt, eine Zigarette anzuzünden, Fossataro jedoch sah ihn forschend an. Nach einigen Sekunden verzog sich das Gesicht des Italieners zu einem melancholischen Lächeln, worin sich der unerschütterliche Glaube an die grenzenlose Dummheit der menschlichen Gattung zu spiegeln schien.
»Ich werde alt, mein Freund. Die Welt, wie wir sie kannten, die uns getragen hat, ist dem Untergang geweiht. Und wenn in Europa wieder ein Krieg ausbricht, wird der alles hinwegfegen. Siehst du das nicht auch so?«
»Das sehe ich auch so.«
»Dann versetz dich mal in meine Lage. Ich
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