Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
zu. Zum ersten Mal, seit er sie kannte, sah er ihr Gesicht vor Wut verzerrt. Ihre Züge verkrampft in einem Ausdruck wilder Empörung.
»Sie ist meine Freundin! Was hast du ihr gestohlen?«
»Du irrst dich.«
Sie blieb vor ihm stehen, ihre Augen blitzten angriffslustig, unheilverkündend. Max hatte den Impuls, vor ihr zurückzuweichen.
»So, wie ich mich in Buenos Aires geirrt habe?«, fragte sie.
»Das hat nichts miteinander zu tun.«
»Dann sag mir, womit es zu tun hat. Und wie viel der Einbruch bei Suzi mit deinem gestrigen Zustand zu tun hat. Mit dem Messerstich und den Blutergüssen ... Ernesto sagt, als Suzi heimkam, seien die Diebe schon weg gewesen.«
Er erwiderte nichts. Er überspielte seinen inneren Aufruhr, indem er tat, als überprüfte er den Inhalt seines Portemonnaies.
»Was ist danach geschehen, Max? Wenn es dort nicht zu Gewalt gekommen ist, wo dann? Und wer war beteiligt?«
Er schwieg weiter. Ihm blieb kein Vorwand mehr, ihr den Rücken zu kehren, denn Mecha hatte sich das Zigarettenetui und das Feuerzeug geschnappt. Sie warf beides zornig auf den Tisch. Das Feuerzeug rutschte über die Tischplatte und fiel auf den Boden.
»Ich werde dich anzeigen.«
Sie blies ihm eine Rauchwolke direkt ins Gesicht, aus unmittelbarer Nähe.
»Und sieh mich nicht so an. Ich habe keine Angst vor dir. Weder vor dir noch vor deinen Komplizen.«
Max bückte sich, um das Feuerzeug aufzuheben. Der Aufprall hatte den Deckel verbogen, stellte er fest.
»Ich habe keine Komplizen.« Er schob Feuerzeug und Zigarettenetui in die Westentasche. »Und es handelt sich nicht um einen Raub. Ich bin in etwas hineingezogen worden, worauf ich nie aus war.«
»Du warst doch dein Leben lang auf irgendetwas aus, Max.«
»Darauf nicht. Ich schwöre es dir, diesmal nicht.«
Mecha stand noch immer sehr dicht vor ihm, ihr Blick war hart und kühl. Und Max begriff, dass er ihr nicht verwehren konnte, was sie einforderte. Im Grunde hatte sie ein Recht zu erfahren, was geschehen war. Zudem könnte sich seine ohnehin heikle Lage weiter zuspitzen, wenn er sie so wütend in Nizza zurückließe. Er brauchte ein paar Tage Ruhe. Einen Waffenstillstand. Wenigstens ein paar Stunden.Vielleicht konnte er sie ja besänftigen, dachte er. Letzten Endes wollte sie, wie alle Frauen der Welt, lediglich überzeugt werden.
»Die Geschichte ist kompliziert«, gestand er, diese Beichte kostete ihn Überwindung. »Man hat mich benutzt. Ich hatte keinen Ausweg.«
Er legte ein auf die Sekunde genau abgemessenes Schweigen ein, Mecha hörte aufmerksam und erwartungsvoll zu, als wäre ihr eigenes und nicht Max’ Leben in Gefahr. Und nach einem weiteren Moment des Zögerns, ob er ihr den Rest auch noch erzählen sollte, entschloss er sich zur Aufrichtigkeit. Vielleicht war es ein Fehler, so weit zu gehen, dachte er kurz. Aber es blieb keine Zeit, es sich zweimal zu überlegen. Eine andere Lösung sah er nicht.
»Es hat zwei Tote gegeben ... Vielleicht drei.«
Mecha zeigte fast keine Regung. Sie öffnete lediglich ein wenig die Lippen um die qualmende Zigarette in ihrem Mund, als litte sie an Atemnot.
»Im Zusammenhang mit der Sache bei Suzi?«
»Teilweise. Oder ja.«
»Weiß es die Polizei?«
»Noch nicht, glaube ich. Kann auch sein, dass sie es mittlerweile weiß. Ich kann das jetzt nicht in Erfahrung bringen.«
Mechas Finger zitterten leicht, als sie die Zigarette aus dem Mund nahm.
»Hast du sie umgebracht?«
»Nein.« Er sah sie an, und er setzte alles auf eine Karte. »Keinen von ihnen.«
Der Ort ist nicht sehr einladend: eine alte Villa in einem von Sträuchern und Unkraut überwucherten Garten. Sie steht außerhalb von Sorrent auf dem Weg von Annunziatanach Marciano, eingezwängt zwischen zwei Hügeln, die die Sicht aufs Meer versperren. Sie sind in einem Fiat 1300 über die holprige kurvige Straße gekommen, der Mann mit den glatten Haaren am Steuer und der in der schwarzen Jacke neben Max auf der Rückbank. Jetzt befinden sie sich in einem Raum mit schadhaften Wänden, von denen zwischen Stockflecken und alten Farbschichten der Putz blättert. Das einzige Mobiliar sind zwei Stühle. Auf dem einen sitzt Max, flankiert von den beiden Männern, und auf dem anderen, Max gegenüber, ein Mann mit blasser Haut, borstigem rotem Schnurrbart und beunruhigenden stahlgrauen Augen, denen man die Übermüdung ansieht. Aus den Ärmeln seines altmodischen Jacketts ragen weiße, lange, schmale Hände, die an die Tentakel eines Tintenfisches
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