Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Zukunft bringen mochte, oder auch nur Klarheit über die Gegenwart zu haben. Diese bedrückende Notwendigkeit seiner Flucht, deren Ziel und Konsequenzen er nicht absehen konnte, ließ alles andere in den Hintergrund treten. Zuerst musste er sich in Sicherheit bringen; darüber, wie tief ihm diese Frau unter die Haut ging, würde er sich später Gedanken machen. Durchaus möglich, dass es Liebe war. Max hatte etwas Vergleichbares noch nie zuvor empfunden und konnte es also nicht mit Sicherheit sagen. Vielleicht war dieser Schmerz, dieses Gefühl der Leere angesichts des bevorstehenden Abschieds, diese bohrende Traurigkeit, die ihm unendlich zusetzte, tatsächlich Liebe. Und vielleicht liebte sie ihn ja auch, schoss es ihm mit einem Mal durch den Kopf. Auf ihre Weise. Und vielleicht, dachte er dann, würde er sie niemals wiedersehen.
»Das stimmt«, antwortete er schließlich. »Ein großes Problem. Ein sehr schwerwiegendes. Das zu einer ziemlich üblen Schlägerei ausgeartet ist. Darum bleibt mir nichts anderes übrig, als eine Zeit lang zu verschwinden.«
Sie sah ihn an, ausdruckslos.
»Und was ist mit mir?«
»Du wirst wohl hierbleiben, denke ich.« Max’ unbestimmte Geste konnte alles und nichts meinen. »Ich weiß, wo ich dich finde, wenn sich die Wogen wieder geglättet haben.«
Noch immer starrte sie ihn todernst an, mit ihren goldenen Augen.
»Ist das alles?«
»Hör zu.« Max zog die Jacke an. »Ich will nichts dramatisieren, aber womöglich steht mein Leben auf dem Spiel. Nicht womöglich. Ganz sicher steht mein Leben auf dem Spiel.«
»Wirst du gesucht? ... Von wem?«
»Das ist nicht leicht zu erklären.«
»Ich kann dir so lange zuhören, wie du erzählen möchtest. Ich habe Zeit.«
Unter dem Vorwand, sein Gepäck zu überprüfen, mied Max ihren Blick. Er klappte den Koffer zu und schnallte die Riemen fest.
»Du Glückliche. Ich habe keine. Und auch keine Muße. Ich bin noch ziemlich durcheinander. Es sind ein paar Dinge vorgefallen, mit denen ich nicht rechnen konnte. Dinge, mit denen ich nicht richtig umzugehen weiß.«
Irgendwo im Haus läutete ein Telefon. Es klingelte viermal und brach dann ab, ohne dass Mecha sich darum kümmerte.
»Sucht dich die Polizei?«
»Nein, soweit ich weiß nicht.« Max hielt ihrem forschenden Blick stand, beherrscht und gleichmütig. »Sonst würde ich es nicht wagen, den Zug zu nehmen. Aber das kann sich jederzeit ändern, und ich möchte nicht hier sein, wenn es so weit ist.«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet. Was ist mit mir?«
Das Mädchen erschien. Frau Inzunza werde am Telefon verlangt. Mecha reichte ihr die Kaffeetasse und entfernte sich mit ihr durch den Flur. Max hob den Koffer vom Bett, schloss die Reisetasche und stellte sie daneben. Dann ging er zum Toilettentisch, um seine Sachen zusammenzuräumen: die Armbanduhr, den Füllfederhalter, die Geldbörse, das Feuerzeug und das Zigarettenetui. Er legte gerade die Patek Philippe an, als Mecha zurückkam. Er blickte auf und sah sie im Türrahmen stehen, genauso wie vorhin, und wusste im selben Moment, dass etwas nicht stimmte. Dass es Neuigkeiten gab, und zwar schlechte.
»Das war Ernesto Keller, mein Freund aus dem chilenischen Konsulat«, erklärte sie kalt und ruhig. »Er sagt, letzte Nacht sei bei Suzi Ferriol eingebrochen worden.«
Max erstarrte, die Finger noch am Verschluss des Uhrenarmbandes.
»Was du nicht sagst ...«, stammelte er. »Und wie geht es ihr?«
»Ihr geht es gut.« Es klang, als klirrte an jedem Wort ein Eiszapfen. »Sie war nicht zu Hause, als es passierte, sondern zum Abendessen in Cimiez.«
Max wandte den Blick ab, und mit aller Gelassenheit, die er aufbringen oder vortäuschen konnte, streckte er die Hand nach dem Parker-Füller aus.
»Haben sie etwas Wertvolles mitgenommen?«
»Das frage ich dich.«
»Mich?« Er prüfte, ob die Kappe des Füllers richtig saß, bevor er ihn in die Innentasche des Jacketts steckte. »Wie soll ich das wissen?«
Er hatte sich wieder im Griff und sah ihr in die Augen. Ruhig. Sie lehnte noch immer mit verschränkten Armen im Türrahmen.
»Erspar mir die Ausflüchte und Lügen«, verlangte sie. »Ich bin nicht in der Stimmung für diesen Mist.«
»Ich versichere dir, dass ich nicht das Geringste ...«
»Du verfluchter Hund. Ich habe es in dem Augenblick gewusst, als ich dich bei Suzi Ferriol gesehen habe. Ich wusste, dass du etwas ausbaldowerst, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass es um sie geht.«
Sie trat auf Max
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