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Dreimal Liebe

Dreimal Liebe

Titel: Dreimal Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bartsch
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es, dass das Mädchen nun schon seit einer Woche der Gruppe beiwohnte, ohne dass auch nur irgendjemand den Grund für ihre Obdachlosigkeit kannte. Lediglich ihren Namen hatte sie verraten, und das auch nur stammelnd. »C-C-Cathy.«
    Cathy war im Überleben auf der Straße der talentfreieste Mensch, der Joel jemals untergekommen war. Jeder, wirklich jeder wusste, dass man beim zufälligen Beobachten eines Drogendeals nicht stehen blieb und das Geschehen mit einem ›Oh, ist das nicht verboten?‹-Blick verfolgte – Cathy wusste es nicht. »Kopf runter und weiter«, hatte er durch die Zähne gezischt und sie am Arm mitziehen müssen. Eine Streiterei auf offener Straße schlichten zu wollen, mag zwar einem ehrenwerten Ursprung zugrunde liegen, war aber für die Erhaltung des eigenen Arsches, auch wenn es sich bei den zwei in Disput geratenen Personen um Frauen handelte, nicht unbedingt förderlich. Erst in letzter Sekunde, als Cathy noch drei Schritte von den kampflustigen und Fingernägel einsetzenden Prostituierten entfernt war, hatte er sie zu fassen bekommen und wegzerren können. Joel konnte nur den Kopf schütteln, wenn er an dieses Mädchen dachte. Ein Wunder eigentlich, dass sie noch alle Zähne im Mund hatte, und noch dazu so weiße.
    Cathy fügte sich in die Gruppe ein, schwieg, wenn alle schwiegen, aß, wenn alle aßen, hungerte, wenn alle hungerten, und doch war sie die meiste Zeit für sich allein, saß in einer Ecke und dachte nach. Zumindest vermutete Joel, dass sie nachdachte, so genau wissen konnte man das bei Menschen ja nie. Nur wenn es ans Schlafen ging, brach Cathy die stille Übereinkunft der Gemeinschaft und legte sich als Letzte zur Ruhe. Wenn Joel Glück hatte, schlief er bereits, wenn nicht, stand er schon bald wieder in näheren Kontakt mit ihrem Hintern. Zwei Nächte hatte sich Joel auf die Zunge gebissen, in der dritten Nacht war es aus ihm herausgeplatzt. »Ich weiß, dass es hier eng ist, glaub mir, ich weiß es. Aber wärst du wohl so nett, wenigstens so lange stillzuliegen, bis ich eingeschlafen bin?« Cathy war neben ihm zu einer Betonsäule erstarrt und Joel eine ganze Weile nur mit dem Herausfinden beschäftigt gewesen, ob sie überhaupt noch atmete. Fünf Minuten. Dann streifte ihr Hintern wieder gegen seinen.
    Seit einer Woche fühlte er sich ständig unausgeruht. Gegen alle Erwartungen war Cathy nicht schon am zweiten Tag heulend dorthin zurückgekehrt, wo sie hergekommen war. An ihre dauerhafte Anwesenheit glaubte Joel aber trotzdem nicht, früher oder später würde die Trostlosigkeit der Straße über die Gründe ihres Abhauens siegen und zur nichtigsten Bagatelle der Welt machen. So wie es bei allen Ausreißern der Fall war. Vorausgesetzt, sie begegneten vorher nicht Zuhältern oder anderen zwielichtigen Gestalten, die ihrem Schicksal eine andere Richtung gaben.
    Das laute Knurren seines Magens störte Joels abdriftende Gedankengänge und führte sie wieder zum eigentlichen Thema zurück. Die Konservendosen von vorgestern waren verbraucht, die Suppenküche hatte nur sonntags geöffnet, die geklauten Essensmarken nahm schon lange keiner mehr an, von den Hausverboten in sämtlichen Supermärkten der Umgebung ganz zu schweigen.
    Joels Blick wanderte zu Louis, der bäuchlings auf dem Boden lag und mit einem Leuchten in den Augen Cecile beobachtete. Mit ihrem pelzigen schneeweißen Katzenhintern saß sie vor ihm und leckte sich die Pfoten, so in ihr Tun versunken, als ginge sie die schmutzige Umgebung überhaupt nichts an, als würde sie in Wahrheit in der vergoldeten Aula eines fünf Sterne Hotels sitzen und auf ihr wohlhabendes Herrchen warten, der sie dann mit den feinsten Delikatessen verköstigen würde. Cecile war das arroganteste Mistvieh, das Joel je untergekommen war.
    Sein Blick schweifte weiter, vorbei an Cathy zu Nate, der auf einer Palette saß und ein leises Gespräch mit Sherly führte. »Nate?«, fragte Joel und sah seinen Freund mit diesem bestimmten Blick an. Nate gab der kleinen Schwarzhaarigen einen Kuss auf den Mund und rappelte sich auf. »Wollen wir?«, fragte er, und Joel nickte.
    »Passt gut auf euch auf«, sagte Sherly.
    Die beiden jungen Männer machten sich Richtung Downtown auf, inmitten durch die Gesellschaft und doch ganz außen am Rand, wagten sich auf die Chambers Street vor und hielten nach wohlhabenden Menschen Ausschau. Je fetter und kürzer die Beine, desto besser. Mit der Zeit hatte sich eine gewisse Übung eingeschlichen, trotzdem fiel die

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