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Dreimal Liebe

Dreimal Liebe

Titel: Dreimal Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bartsch
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umrahmte Gesicht mit den großen blauen Augen, das er sich in seiner Phantasie erschaffen hatte. Erinnerte sich an die wenigen Zeilen auf dem verknitterten Zettel, den man damals in seinem Strampelanzug gefunden hatte.
    Er soll es besser haben, er soll ein warmes Zuhause bekommen und er soll alle Möglichkeiten dieser Welt haben, die ich ihm nicht bieten kann. Bitte kümmern Sie sich um meinen Sohn, schenken Sie ihm das Leben, das ich ihm nicht geben kann. Denn das hat er verdient.
    Sein Name ist Joel.
    Joels Augen wurden glasig, starrten für einen schier unendlich langen Moment ins Leere, dann wurde er von Dunkelheit umhüllt und verlor das Bewusstsein.
    Ein stechendes Husten durchfuhr Joels Körper und ein Stöhnen verließ seinen Mund. Der Himmel über New York war in Schwarz getaucht und der Tag hatte den Krieg gegen die einbrechende Nacht verloren. Es dauerte mehrere Minuten, bis Joel wieder zu sich kam, langsam realisierte, was passiert war und wo er sich befand. Der brennende Schmerz überrollte ihn nun wie eine Lawine und machte vor keiner Körperstelle halt. Er krümmte sich zusammen, zitterte vor Kälte und gleichzeitig glühender Hitze, und krallte seine Fingernägel in den Asphalt.
    Für Stunden hielt er diese Haltung bei. In der Ferne rauschten Autos, dumpfes Hupen drang an seine Ohren, doch alles wirkte unendlich weit weg. Es war mitten in der Nacht, als er den ersten Versuch startete, sich auf die Beine zu kämpfen. Bis er tatsächlich stand, vergingen zwölf weitere Anläufe. Mit dem Arm an der Hausmauer abstützend, bewegte er sich in zentimetergroßen Schritten vorwärts. Dreimal musste er sich auf dem Weg übergeben. Reine Galle.
    Der Morgen dämmerte bereits, als er sich bis zur heruntergekommenen Lagerhalle geschleppt hatte. Das Gebäude lag im Schatten, die Straße davor war ruhig, und von innen drang keinerlei Geräusch nach draußen. Alles war wie immer. Als würde Joel wie jede Nacht bei den anderen sein und nicht hier draußen stehen und sich kaum auf den Beinen halten können. Die Übelkeit und der Schwindel übermannten ihn erneut, sodass er sich mit dem Rücken gegen die Wand lehnen musste. Seine Knie gaben unter seinem Gewicht nach, er rutschte hinunter und rollte sich wie ein Kleinkind auf dem kalten Boden zusammen. In diesem Moment wurde ihm wieder bewusst, dass es noch eine zweite Regel auf der Straße gab: Jeder war für sich allein.
    Die herannahenden Schritte und die leise Stimme eines Mädchens waren nach einer Weile die ersten Geräusche, die wieder zu ihm durchdrangen.
    »Joel?«
    Cathy.
    »Was ist passiert? Wie siehst du aus?« Sie erreichte ihn, ließ sich vor ihm auf die Knie fallen und betastete sein lädiertes Gesicht. Als er aufstöhnte, zuckte sie zurück.
    »Entschuldige bitte, ich wollte dir nicht wehtun. Du bist eiskalt. Wir müssen dich sofort reinbringen. Kannst du aufstehen? Ich helfe dir.« Sie griff unter Joel, hievte ihn mit dessen Mithilfe irgendwie auf die Beine und legte seinen Arm um ihre Schulter. Immer wieder gegen die Wand schrammend, taumelten die beiden durch die verkantete, sich nur noch zur Hälfte öffnen lassende Tür und schleppten sich zu Joels Schlafstelle.
    Nate wurde durch ein lautes Rumpeln geweckt und hob den Kopf. »Ach, da ist er ja. Siehst du? Ich hab’s dir doch gesagt, Cathy, Unkraut vergeht nicht.« Er fuhr sich durchs Gesicht und setzte sich auf. »Meine Güte«, sagte er amüsiert. »Du hast ja ordentlich was auf die Nuss bekommen, Kumpel.«
    »Siehst du nicht, dass er Hilfe braucht?«, fauchte Cathy und mühte sich ab, Joel halbwegs sanft auf dessen Schlafsack zu betten.
    »Ach, der wird schon wieder«, sagte Nate gähnend und warf einen Blick auf seine friedlich schlafende Freundin. Er streckte sich, ließ sich zurück auf den Rücken sinken und kuschelte sich an ihre Seite. »Ein bisschen Schlaf und er ist wieder topfit«, sagte er.
    Cathy schnaubte, sah zu Louis, von dem nichts als ein Schnarchen ausging, und nahm sich fluchend eine der Wasserflaschen sowie ein T-Shirt aus ihrem Rucksack. Sie tränkte den Stoff mit der Flüssigkeit, setzte sich zu Joel und begann vorsichtig das verkrustete Blut von seinem Gesicht zu entfernen.
    »Hast du Hunger? Oder willst du etwas trinken?«, fragte sie.
    Kaum wahrnehmbar verneinte Joel mit dem Kopf. »Batterien«, flüsterte.
    »Batterien?«
    Er nickte. »Hat Nate … Batterien gekauft?«
    »Ich weiß nicht. Ich glaube nicht. Warum?«
    Begleitet von einem Stöhnen hob Joel den Arm und deutete

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