Dreimal Liebe
sie?«
»Ich-Ich-Ich-Ich-Ich-«
»Louis, sag mir einfach, wo sie ist, und ich werde nicht böse sein. In Ordnung?«
»A-A-Aber-Aber …«
»Sag es mir einfach!«
Louis wandte den Blick von Joel ab und sah zu Boden.
»Hast du sie kaputt gemacht?«, fragte Joel.
»E-E-Es war k-k-keine Absicht! B-Bitte, nicht sauer sein!«
»Ich fasse es nicht!« Joel ließ sich mit dem Rücken gegen die Wand prallen. »Wie oft habe ich dir gesagt, dass du nicht an meine Sachen gehen sollst?«
»A-Aber das war doch n-nur weil Ce-Cecile so gerne Musik h-hört und ich ihr was v-vorspielen wollte und dann, dann ist die K-K-Kassette runtergefallen.«
Joel fasste sich mit Daumen und Zeigefinger an den Nasenrücken und versuchte tief durchzuatmen. Diese gottverdammte Katze.
»Bi-Bist du sehr b-böse?«
»Jo-Jo-Joel?« Louis’ Stimme brach.
Ohne ein Wort zu verlieren, rappelte sich Joel vom Boden auf und steuerte die Tür an. Er brauchte dringend frische Luft.
»Es tut-tut-tut mir so leid«, winselte Louis im Hintergrund.
»Joel, er hat‘s doch nicht mit Absicht getan«, rief Cathy, doch genau wie Louis’ Rufe blieben auch ihre unbeantwortet.
Cathy verstand das nicht. Cathy hatte nicht die geringste Ahnung, wie es war, eine von seinen Habseligkeiten, von denen man ohnehin nur eine Handvoll besaß, unwiederbringlich verloren zu haben.
Joel stand in der Mitte der Brooklyn Bridge und starrte auf den Hudson River, der wie bleischwere Rauchschwaden unter ihm hindurch floss. Die Sonne war längst untergegangen; auf der schwarzen Wasseroberfläche spiegelte sich die nächtliche Beleuchtung der Stadt. Hinter ihm rauschte der Verkehrslärm, so wie er in New York immer rauschte, und durch seine Haare wehte die kühle Ostluft, die auch seinen Mantel in leichte Bewegung versetzte.
Joels Wut war verglimmt wie ein Funken im Wind und in trostlose Akzeptanz umgeschlagen. Seine Gedanken gehörten all jenen Dingen, die er in seinem Leben verloren hatte und die jetzt nur noch wie verwischte Asche in seinen Erinnerungen wohnten.
Als sich die Wolken über ihn zusammenzogen und herabfallende Regentropfen die glatte Oberfläche des Hudson Rivers in immer kleiner werdenden Abständen brachen, zog Joel den Kopf ein, steckte die Hände in die Hosentaschen und trat den Heimweg an. Auch seine Schlafstätte gehörte mittlerweile dem Reich der Vergangenheit an. Dort würde ein Mädchen liegen und die Hälfte der Fläche für sich beanspruchen.
Die Halle war in Dunkelheit getaucht. Nate, Sherly und Louis schliefen bereits, nur von der Stelle, die einst Joel allein gehörte, ging ein schummriger Kerzenschein aus. Cathy lag auf der Seite, genau andersherum als sonst, mit dem Rücken zum Eingang, und las in einem Buch. Joel griff nach einem Lappen, rieb sich dürftig über die nassen Haare und zog sich trockene Kleidung an.
Als er in seinen Schlafsack kroch, war ihm Cathy mit dem Gesicht zugeneigt. Sie klappte ihr Buch zu, als er sich neben sie legte. »Hallo«, flüsterte sie.
»Hallo«, sagte Joel.
»Ich habe dir etwas von meinem Essen übrig gelassen, falls du hungrig bist. Cracker.«
»Im Moment nicht. Vielleicht später, danke.«
Cathy bettete den Kopf auf ihrem angewinkelten Arm und folgte mit den Augen ihren Fingern, die über den Bucheinband fuhren. Ihre Haare waren längst nicht mehr so glatt und gepflegt wie am Tag ihrer Ankunft, dennoch hatten die langen Strähnen ihren Glanz noch nicht vollkommen verloren, fiel es Joel auf. Ihre Gesichtszüge waren weich und zart, so wie ihr ganzes Wesen weich und zart wirkte, und der Schein der Kerze verlieh ihrer Haut eine Samtheit, die Joel unter den Fingern spüren konnte.
»Es muss schlimm sein, etwas zu verlieren, wenn man kaum etwas hat«, sagte Cathy leise.
Joel wandte die Augen von ihrem Gesicht ab. »Du bist auf dem besten Weg herauszufinden, wie sich das anfühlt.«
»Wie meinst du das?«
»Noch einen Monat auf der Straße und du wirst von uns nicht mehr zu unterscheiden sein.«
Cathy verlor sich mit ihrem Blick auf dem Bucheinband.
»Ich kann aber nicht zurück«, sagte sie schließlich.
Joel wandte den Kopf wieder in ihre Richtung. »Warum, weil du dich nicht überwinden kannst? Cathy«, sagte er, »Leben kommt nicht mit einer Gebrauchsanweisung. Wir alle machen Fehler. Aber der größte Fehler wird immer der bleiben, nicht zu seinen Fehlern zu stehen. Du solltest dir gut überlegen, ob dein Stolz, nicht über den eigenen Schatten zu springen, es wirklich wert ist, die Konsequenzen in
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