Dreimond - Das verlorene Rudel
hast gesagt, du würdest Serafin befreien! Das hat ja wohl auch nicht funktioniert!«
»Doch nur weil …«, wollte Lex zurückblaffen, als er mit einem Mal an Carras dachte. Er fuhr herum und sah den Jungen und Serafin, den schwarzen Wolf, der sich vor den Jungen gestellt hatte. Erst jetzt wurde ihm klar, dass keiner der Wölfe ihm oder Fiona noch Beachtung schenkte. Sie alle hatten nur Augen für Bluter und Serafin.
»Das gefällt dir nicht, was, Schattenklaue, dass ich den Kleinen hergebracht habe …«, flüsterte der Kohortenführer. Knurrend entblößte Serafin seine Zähne. Das Nackenhaar drohend aufgestellt schlich der Schwarze auf seinen Gegner zu.
»Willst du kämpfen?«, rief Bluter beinahe sehnsuchtsvoll. Da bahnte sich ein großer, bärtiger Wolfsmann mit einer tiefblauen Bauchbinde seinen Weg durch das Burgtor und umfasste Bluters Schultern.
»Halt dich zurück, mein Freund.«
Wütend riss sich Bluter los.
»Noch immer willst du den da schützen, Eisenfell? Nachdem er Rotpelz verleumdet hat und nun feige die Flucht ergreifen wollte?«
»Du weißt, dass wir das Urteil abwarten müssen!«, wies der andere ihn sehr bestimmt zurecht, obgleich sich unter den Wölfen im Burghof ein grollendes Knurren breitmachte, das nur zu deutlich zeigte, dass sie auf einen Zweikampf pochten.
»Was in aller Welt ist hier passiert, während wir fort waren?«, erklang es mit einem Mal vom Burgtor.
Lex wandte sich um und erkannte eine hagere, ältere Wolfsfrau, die, umringt von einer Kriegerschar mit dem gelben Kohortenzeichen, in den Burghof trat. Ihre kleinen, mandelförmigen Augen verengten sich, als sie in die Menge starrte.
»Ich verlange eine Erklärung! Sofort!«
»Beruhigt euch – alle!«, forderte Eisenfell vergebens. Verzweifelt fuhr Lex herum, um irgendeinen Fluchtweg auszumachen. Der Burgeingang vor ihnen wurde von den heimgekehrten Kohortenkriegern lückenlos versperrt. Hinter den Freunden lauerten mit gekrümmten Rücken – und noch immer in Tiergestalt – die Werwölfe, die ihn und Serafin verfolgt hatten. Plötzlich fuhren die Bestien herum und starrten auf den roten Turm, der seinen Schatten auf den Burghof warf. Die Tür im steinernen Gemäuer öffnete sich und ein großer Wolfsmann kam heraus. Über seinen Schultern lag ein schwarzes Bärenfell. Auf seinem Gesicht war vom Kinn bis zu der hohen Stirn eine Mondsichel eingebrannt.
»Das muss Alkarn, ihr Anführer, sein …«
*
Fiona blickte den Fremden an. Das also war Alkarn. Lex hatte beinahe ehrfurchtsvoll geklungen, als er seinen Namen, flüsternd nur, ausgesprochen hatte.
Als der Herrscher schweren Schrittes näherkam, dachte sie plötzlich, dass er sehr einsam wirkte – obwohl alle Wolfskrieger ihm respektvoll zunickten und obwohl in seinen dunklen, grauen Augen nicht Schwäche, sondern Strenge und Stärke standen.
Hinter Alkarn trat Neuschnee aus der Tür. Ihr langes blondes Haar war streng zurückgebunden wie das seine. Scheinbar fröstelnd raffte sie ihren hellen Umhang zusammen, als sich ein dritter Mann, schmal und unscheinbar, energisch an ihr vorbeidrängte. Sie folgten Alkarn, der langsam über den Burghof kam.
Seine schweren Stiefel tönten hohl auf den alten Steinen. Und während der Blick des Herrschers forschend über die Seinen fuhr, gaben all jene, die bis eben Wölfe gewesen waren, ihre Tiergestalt auf, so als würden sie einem stummen Befehl Folge leisten.
Serafin schien ihn auch gehört zu haben. Kaum hatte der Anführer ihn angesehen, wurde der schwarze Wolf zum Menschen, als wäre er noch immer Alkarns Untertan.
Der Anführer blieb kaum einen Schritt vor Serafin stehen.
»Was tust du, Schattenklaue?«, sprach er, mehr enttäuscht als zornig. »So also willst du mir beweisen, dass ich deinen Worten Glauben schenken kann? Du beschämst mich.«
Betroffen blickte Serafin zu Boden, schob sich aber ein Stück näher an Carras, der noch immer auf dem Boden kauerte. Da fiel Alkarns Blick auf den Jungen.
»Was soll das?«, wandte er sich streng an Bluter. »Wozu bringst du ein Wolfskind in unsere Mauern – und dazu noch ein … Menschenmädchen?«
Bei seinen letzten Worten warf Alkarn Fiona einen kurzen, abfälligen Blick zu, der jede Sympathie, die sie für den Herrscher empfunden hatte, im Keim erstickte.
»Mein Leitwolf«, gab ihm Bluter, weit weniger großspurig als sonst, zur Antwort, »ich habe sie in unserem Wald entdeckt und …«
»… genau dort hättest du sie töten sollen!«, fiel ihm
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