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Dreimond - Das verlorene Rudel

Dreimond - Das verlorene Rudel

Titel: Dreimond - Das verlorene Rudel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viola L. Gabriel
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Fremde keuchend an, stieg vom Rad und machte sich daran, den schweren Korb das letzte, besonders steile Stück des Hangs hinaufzutragen.
    Kurzerhand stellte sich Carras ihr entgegen. »Wer bist du, Fremde, und wo kommst du her?«
    Die Frau blickte offenbar verdutzt zu ihm auf. Vielleicht war sie mal schön gewesen. Jetzt sahen ihre Augen trüb und müde aus.
    »Rosa Zwieker«, entgegnete sie achselzuckend. »Vom Dorf natürlich.«
    An ihrem Hals baumelte eine goldene Kette. Rosa Zwieker glaubte also an etwas. Auf seinen weiten Reisen mit Serafin hatte er viele Menschen gesehen, die an alles Mögliche glaubten.
    Wölfe glaubten nur an den Mond.
    »Was hast du in deinem Korb? Willst du ein Picknick machen?« Menschen mit Körben wollten meistens ein Picknick machen.
    Rosa Zwieker schüttelte den Kopf. »Nein, nein, das ist für Fiona … Die Wochenration.
    »Für Fiona!« Carras entriss ihr begeistert den Korb. »Ja, prima! Die Speisekammer war schon leer.«
    Er biss sich auf die Lippen.
    Rosas Augen weiteten sich. »Du wohnst bei dem Mädchen?«
    »Ich … Nein … Also nur für heute …, bin schon auf dem Rückweg …«
    »Ach so.« Ihr Blick entspannte sich. »Du bist sicher ein Botenjunge von Isaak. Was ist mit ihm?«
    »Ja … also …, dem geht es gut. Danke der Nachfrage«, murmelte Carras unschlüssig.
    »Um ehrlich zu sein, meinte ich etwas anderes«, flüsterte die Frau und trat ein Stück auf ihn zu. »Sieben Jahre schon lebt seine Tochter allein im Forsthaus, sieben Jahre versorgt das Dorf sie mit den fürstlichsten Speisen …«
    Sie rückte noch näher heran. »Es gibt so manche, die das leid sind, Junge!«, zischte sie und starrte auf den Essenskorb.
    Carras legte den Kopf schief, hielt ihr dann den vollen Korb entgegen. »Du willst also etwas abhaben?«
    »Um Himmels willen!« Rosa tat einen Schritt zurück, bekreuzigte sich. »Ich bin ja keine Diebin! Es soll alles seine Ordnung haben! Was ich meine …«, wieder senkte sie ihre Stimme, »… ist bloß, dass es besser wäre, wenn der Kaufmann bald nach Hause käme. Besser auch für Fiona. Sag ihm das, Junge. Sag es ihm mit den besten Wünschen.«
    Sie lief den Hang hinunter, stieg eilig auf ihr Rad, und Carras sah ihr nach, als sie im scharfen Licht der Mittagssonne zurück in ihr Dorf fuhr.
    Er hatte Rosas Worte nicht richtig verstanden. Waren sie gut gemeint gewesen? Hatten sie unten im Dorf etwas gegen Fiona?
    Er zuckte mit den Achseln. Menschen waren wirklich komische Wesen.
     
    *
     
    Als Lex nach einer unruhigen Nacht langsam die Augen öffnete, entdeckte er zu seinem Erstaunen, dass er allein in der Kammer war. Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass es für ihn in den letzten Tagen beinahe zur Gewohnheit geworden war, beim Erwachen die seltsame Kleine zu sehen.
    Für gewöhnlich saß sie dort am Schreibtisch, gedankenverloren ins Leere blickend oder in eines ihrer Bücher vergraben. Manchmal beäugte sie ihn auch mit unverhohlener Neugierde.
    Sie war schnell und geschickt, wenn sie ihm Essen und Trinken reichte oder den Arm, der noch immer teuflisch schmerzte, frisch verband. Ein Wunder, dass sie in diesen wuchtig weißen Rüschenkleidchen, die alles andere als praktisch und obendrein ziemlich komisch aussahen, überhaupt einen Fuß vor den anderen setzen konnte.
    So absonderlich die Kleine auch war, auf eines war Verlass: Fiona nahm ihr Versprechen ernst. Mehr als einmal hatte sie ihn aus einem der Angstträume wachrütteln müssen, die ihn an die gottverdammte Zeit erinnerten, von der er so lange geglaubt hatte, sie endlich vergessen zu haben. Doch nun, da seine Schmerzen ihn an dieses verfluchte Bett fesselten, hatten sie ihn eingeholt – die Bilder von dem verhassten Kuttenträger.
    Lex ballte die Fäuste. Damals, als er dem alten Mönch, der geglaubt hatte, dem kleinen Jungen das Wolfsblut mit der blanken Faust austreiben zu können, endlich entkommen war, hatte sich Lex geschworen, so stark zu werden, dass er allein in Freiheit leben konnte. Jetzt ließ er sich von einer mickrigen Stichwunde unterkriegen.
    Zum Verrücktwerden!
    Er zwang sich, aufzustehen, als jemand die Türklinke herunterdrückte und die Kammer betrat. Zu seiner Überraschung war es nicht das Mädchen. Die Morgensonne, die durchs Fenster schien, fiel auf das Gesicht des Anführers.
    Serafin.
    »Na, sieh mal an!«, feixte Lex. »Ich dachte, ihr wärt längst ohne mich davongezogen!«
    »So leicht wirst du uns nicht los, bedaure«, erwiderte der Schwarze

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