Dreimond - Das verlorene Rudel
Es war nicht auszuhalten!
Plötzlich musste sie schmunzeln. » Desiree, bist du etwa ein Werschwein?« Während sie den Kopf des Tieres kraulte, entspannte sich Desiree allmählich und ließ großmütig zu, dass Fiona sich an ihren warmen Körper drückte.
Fiona schloss die Augen, sog den muffigen Duft des Stalls ein und dachte nach. An all dem Ärger mit Serafin war eigentlich nur diese Wolfsfrau schuld. So viel war sicher. Doch was verband Neuschnee und Serafin?
Schattenklaue hatte sie ihn genannt. Was hatte das zu bedeuten? Und überhaupt, was hatte Neuschnee hier zu suchen? Serafin hatte so gar nichts gemein mit einer, die ungefragt in fremde Häuser hineinschneite und die Stimmung vergiftete, Streit schürte und an kleine Jungs gepresst auf Küchenbänken schlief.
Desiree grunzte spöttisch, als Fiona mit einem Mal aufsprang und zur Stalltür marschierte, um – so hatte sie sich entschieden – ins Haus zurückzukehren und klarzustellen, was sie von den Geheimniskrämereien ungeladener Gäste hielt!
Sie wollte gerade den Stall verlassen, als die Tür des Forsthauses aufgestoßen wurde. Fiona blieb stehen und beobachtete Serafin, der Neuschnees Arm umfasste und sie aus dem Haus in Richtung Wald zog.
»Schattenklaue«, säuselte die Wolfsfrau schlaftrunken. »Ich bin müde! Können wir nicht in Ruhe und im Warmen darüber reden?«
»Du musst dich nicht verstellen«, entgegnete Serafin kalt. »Ich weiß nur zu gut, wer dich geschickt hat. Also halt dich von Carras …«
Schon war seine Stimme nicht mehr zu verstehen. Vorsichtig schlich Fiona aus dem Stall und nahm aus sicherer Entfernung die Verfolgung auf. Zum ersten Mal war sie dankbar für den kalten Herbstwind, der ihr rau ins Gesicht peitschte. Welch Glück. Der Wind hielt ihren Geruch von den beiden fern.
Sie verbarg sich immer wieder hinter Büschen und Bäumen, lugte vorsichtig hervor und folgte dem ungleichen Paar tiefer und tiefer in den Wald.
Fiona erschrak, als eine Böe Neuschnees Haarband mit sich riss und das Haar der Wölfin offen im Wind flatterte. Doch Neuschnee drehte sich nicht nach dem verlorenen Band um.
Rasch drückte sich Fiona zu Boden. Vor einer mächtigen Eiche, deren tiefrotes Laub im Herbstwind zitterte, war Serafin stehen geblieben.
Neuschnee tat es ihm gleich, stellte sich ihm gegenüber und blickte dem Schwarzen ins Gesicht.
Langsam, darauf bedacht, keinen Laut zu verursachen, kroch Fiona näher an die beiden heran. Zunächst verstand sie nur Satzfetzen.
»… die Wahrheit …«, sagte Serafin.
»Schuld …«, raunte Neuschnee.
Erst als Fiona einen großen mit moosbedeckten Felsen erreichte, hinter den sie sich verstohlen drückte, trug der Wind ihr klarere Worte zu.
»Neuschnee, ich bitte dich, lüg mich nicht an«, sagte Serafin.
»Warum schaust du mich an, als wäre ich deine Feindin? Ich habe nicht gewollt, dass es so kommt, Schattenklaue. Ich nicht!« Der verspielte Ton, der vor Kurzem im Forsthaus noch in ihrer Stimme gelegen hatte, war verflogen.
»Das ist nicht mehr mein Name«, entgegnete Serafin.
»Ach, ist das so?« Sie lachte bitter.
»Du denkst also, du kannst ihn einfach so verleugnen, deinen Namen? Alkarn hat dich so getauft. Als Anerkennung für besondere Dienste. Er hat dir vertraut!«
»Neuschnee, ich habe euch nicht leichtfertig verlassen!«
Fiona lugte hinter dem Stein hervor und sah, wie Serafin die Schultern der Wolfsfrau umfasste.
»Ja, das müssen schwerwiegende Gründe gewesen sein, für die du uns alle verraten hast, Alkarn, das Rudel … und mich.« Sie entzog sich seinem Griff. »Ich habe auf dich gewartet!«
Schweigen.
Nur das Heulen des Windes war zu hören, der an der Eiche rüttelte und einen Schwung blutroter Blätter von ihren Ästen riss, die nun auf Fiona zufegten, als wollten sie warnend den Felsen umtanzen, hinter dem sie sich verbarg.
»Sag, bist du hier, weil du mich finden wolltest … oder geht es dir um das Satorakt?«, sprach Serafin endlich mit gequälter Stimme weiter.
»Du hast es tatsächlich?«, entfuhr es der Wolfsfrau.
Fiona duckte sich rasch, als Serafin sich von Neuschnee abwandte und auf ihren Felsen zulief.
»Schattenklaue!«, hielt Neuschnee ihn zurück. »Ich bitte dich, sag mir, hast du das Satorakt gestohlen? Wo ist es? Sag es mir!«
»Du solltest dich hören«, fuhr er sie an. »Dies Ding hat euch doch allen den Verstand vergiftet! Glaubst du wirklich, ich wollte es benutzen? Niemals! Nicht einmal anfassen würde ich es! Wenn du
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