Dreimond - Das verlorene Rudel
Man bekommt ja schon Mitleid, wenn man dir in die feige Fratze schaut. Aber weißt du Junge, jetzt, wo mir dein Gestank, der Gestank deiner Eltern, der Gestank von Verrätern …« Er räusperte sich und fuhr, wieder etwas ruhiger, fort . »… in die Nase steigt, da habe ich plötzlich zu etwas ganz anderem Lust!« In der Stimme des Eindringlings lag nicht mehr wütender Hass, sondern genussvoll lauernder Blutdurst.
Wenige Schritte trennten Lex noch von dem Widerling. Er hielt die Luft an. Er hatte kaum geschlafen und war noch nicht ganz bei Kräften. Und der Kerl trug das Kainsmal. Er musste ihn überraschen, ihm mit einem Schlag ausschalten.
»Und wenn ich eines hasse«, fauchte der Fremde gerade den Jungen an, »sind das Ratten, die sich hinterrücks anschleichen!«
Er wirbelte herum und versetzte Lex einen gewaltigen Stoß. Er knallte mit voller Wucht auf den Küchentisch. Teller und Tassen gingen zu Bruch. Die Splitter des Tonkruges stachen ihm in die Haut, dickflüssige Milch durchtränkte den Stoff seines Hemdes. Benommen versuchte er, sich aufzurichten, da stand der Fremde schon über ihm und versetzte ihm einen so harten Schlag in die Magengrube, dass Lex sich stöhnend auf dem Küchentisch krümmte.
»Das macht Spaß, Jungchen!«, hörte er den Dreckskerl sagen. »Ich kann Dampf ablassen, ohne die Geisel zu beschädigen!«
Jetzt umfasste er Lex’ Hals und bohrte seine langen Finger in dessen Haut.
Lex schlug nach dem Angreifer, doch der drückte unbarmherzig zu. Er sah röchelnd in die zufriedene Fratze des Fremden, spürte seine Kräfte schwinden, als sich der Griff an seiner Kehle urplötzlich lockerte.
»Lass ihn los«, kreischte Carras und krallte sich an den Angreifer.
»Kleines Drecksbalg!« Der Kerl packte Carras, riss ihn von sich und schleuderte ihn zu Boden.
Lex rang nach Luft. Hektisch tastete er nach etwas, das er als Waffe benutzen konnte. Scherben schnitten in seine Haut. Seine Hand stieß an eine heil gebliebene Tonschüssel. Er packte zu und schleuderte das massive Ding dem Fremden an den Kopf. Der Kerl geriet ins Taumeln.
Lex warf sich auf ihn und riss ihn mit sich zu Boden.
Er glaubte, ihn ums Bewusstsein gebracht zu haben, doch schon riss der Kerl die Augen auf – und sie wälzten sich ineinander verkeilt über den Boden. Sie knallten gegen den Küchenschrank, der heftig ins Wanken geriet.
Für einen Moment fixierte der Widerling das wankende Möbelstück – Lex ergriff die Chance und rammte seinen Kopf gegen den Schädel seines Feindes, dem ein lautes Stöhnen entfuhr. Obwohl sich auch vor Lex’ Augen alles drehte, gelang es ihm, seine Hände zu befreien, sich ein Stück weit aufzurichten und den Angreifer fest bei den Schultern zu packen. Mit aller Kraft drückte er den Gegner zu Boden.
»Raus mit der Sprache! Wer bist du?«, keuchte er, als er etwas Kaltes und Spitzes an seinem Hals spürte. Verdammt! Der Kerl hatte ein Messer!
»Niemals die Hände des Gegners aus den Augen lassen, Jungchen!«, keuchte der Fremde.
»Lex!«
»Verschwinde, Carras!«
»Lass mich los!«, befahl der Fremde.
Lex rührte sich nicht.
»Na wird’s bald?«
Die Schneide des Messers drang in seine Haut. Unwillkürlich zuckte er zurück und ließ die Schultern des Fremden los.
»Brav. Und jetzt hoch mit dir!«
Langsam erhob sich Lex. Der Kerl tat es ihm mit einer fließenden Bewegung gleich. Aufmerksam starrte er ihm dabei ins Gesicht, lockerte für keine Sekunde das Messer, das in Lex’ Haut schnitt.
»Du bist ein Wolf«, zischte Lex, »und kämpfst mit Menschenwaffen?«
Der Kerl lachte, dann drückte er die Nase in das Blut, das Lex warm in den Ausschnitt seines Hemdes lief. .
»Unter meinesgleichen würde ich nicht so kämpfen, doch du stinkst zu deutlich nach Halbblut!«
»Elender Hund«, stieß Lex trotz der Klinge an seiner Kehle hervor.
Da drückte ihn der Kerl auf die Knie, packte sein Haar und riss seinen Kopf zurück, dass Lex mit schmerzverzerrtem Gesicht zu ihm aufschauen musste.
»Die Sichel reinigt die Welt vor Bastarden und Verrätern. Sieh genau hin, kleiner Carras!«
»Bitte nicht!«, rief der Junge, der sich Lex´Befehl offensichtlich widersetzt hatte.
»Lass das Wimmern!«, keuchte Lex. »Genau das will er doch erreichen!«
» So, will ich das?«
Das Messer drang tiefer in sein Fleisch. Er würde dem Kerl keine Freude bereiten. Lex schloss die Augen und verbot sich zu schreien.
*
Mit einem Brüllen stürmte Serafin ins Haus und verharrte mit
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