Dreimond - Das verlorene Rudel
verblüfftem Gesichtsausdruck der alte Wirt aus der Küche.
Bosco pfiff, schon packte einer der Kerle den Greis am Kragen.
»Stimmt das?«, zischte er mit seiner scharfen, schrillen Stimme und drückte den Mann an die Wand. »Ist der Junge wirklich allein hier?«
»Schon möglich …«, murmelte der Alte.
»Geht’s noch deutlicher?«, fuhr Bosco ihn an und zückte sein Messer.
»Halt!«, rief Gundel außer sich. »Mein Mann ist müde und verwirrt! Ich … ich sage euch alles!«
Lächelnd drehte sich Bosco zu der Wirtin um, wobei er den Revolver noch immer auf Carras richtete.
»Los, Caspar, hilf der Alten auf!«
Schon lief der Rotschopf los und hievte sie mit einem falschen Grinsen auf ihre zittrigen Beine.
»Also, Frauchen, was gibt’s?«, forderte Bosco.
Carras blickte die Wirtin flehend an, um sie zum Schweigen zu bringen.
Doch Gundel wandte ihren Blick von ihm ab, als sie mit rotem Kopf loslegte.
»Sie sind zu dritt! Ein kräftiger Bursche, der Kleine hier und ein recht unscheinbares Mädchen. Ich kenn’ sie nicht. Hab sie noch nie zuvor gesehen. Es war schon spät, da haben sie an die Tür geklopft. Ich hab’ erst ja gar nicht öffnen wollen, mir kamen sie gleich komisch vor …«
»Quatsch keine Opern, Alte!«, fuhr Bosco ihr ins Wort.
»Sie … sie sind dort oben. Die Treppe rauf, das erste Zimmer rechts«, stammelte Gundel. Schon wollte die Bande die Treppe hinaufstürzen, als Bosco sie zurückpfiff.
»Sag schon!«, fuhr er die Wirtin an. »Gibt es da oben einen zweiten Ausgang?«
»Keinen!«, keuchte sie. »A – alle Fenster sind zu hoch, um runterzuspringen.«
»Sehr schön«, sagte Bosco zufrieden und drückte den kalten Schaft seiner Waffe gegen Carras’ linke Wange. »Der erste Raum rechts also. Da hört dich dein Freund, wenn du laut genug nach ihm schreist. Du rufst diesen … Lex jetzt herunter! Verstanden, Junge?«
»Gar nichts tu ich!«, presste Carras hervor. Ob Lex die Kerle inzwischen gerochen hat? Nein, auf dessen Nase war kein Verlass …
»He, Kleiner!«, zischte Bosco zornig. »Du hast mich wohl nicht verstanden! Du sollst ihn rufen – jetzt! Wollen wir doch mal sehen, ob dieser Übermensch auch Kugeln überlebt …«
Hämisches Lachen unter den Räubern.
»Wird’s bald?«, zischte Bosco ungeduldig und richtete den Revolver plötzlich auf die Wirtsleute.
Die Alte war inzwischen zu ihrem Mann gelaufen, zitternd presste sie sich an ihn.
»Ist ja gut«, keuchte Carras. »Ich rufe ihn!«
*
»Carras ist noch unten bei der Wirtin …«, murmelte Fiona, drehte dem Wolfsmann abrupt den Rücken zu und blickte aus dem Fenster. »Ganz schön ungemütlich da draußen, was?«
»Hm? Ja, ja, Regen eben …«, stammelte Lex. Junge, beruhig dich, ermahnte er sich. Egal, ob ihr das enge Kleid gut stand oder nicht, das da drüben war Fiona – also kein Mädchen im eigentlichen Sinne! Ertappt zuckte er zusammen, als sie sich zu ihm umdrehte. Beruhig dich!
Sie lächelte. »Warum guckst du so verkniffen? Kratzt der Pulli, den Gundel für dich herausgekramt hat?«
»Der Pulli …? Ja! Das ist es!«
»So schlimm?« Sie lief zu ihm und fuhr, ehe er es sich versah, tastend über den groben braunen Filzstoff.
Gespannt blickte er auf sie nieder, als von unten eine Stimme erklang.
»Lex!«
Keine Frage, das war Carras. Rasch zog Fiona die Hand zurück.
»Lex!«, rief der Kleine ein weiteres Mal.
»Zum Teufel! Ich bin ja nicht taub!«, fauchte er.
»Na, geh schon hin«, murmelte sie.
Aufgewühlt fuhr er sich durchs Haar, ging zur Tür und wollte sie gerade öffnen, als ihm noch ein anderer Geruch in die Nase stieg.
»Lex!«, rief Carras ein drittes Mal . »Komm auf keinen Fall runter!«
Sofort blieb er stehen, sog noch einmal den Geruch ein, der vom Erdgeschoss heraufdrang – und verstand.
»Schmutziger Bengel!«, zeterte Bosco. Dann ein Schreien. Lex ergriff heißer Zorn. Der Mistkerl hatte Carras geschlagen!
»Komm runter, du dreckiger Hund!«, rief der Hauptmann. »Oder dem Kleinen passiert was!«
»Na warte! Hattest wohl beim letzten Mal nicht genug Prügel?«, schrie er zurück und war schon halb zur Treppe gestürmt, als sich zwei Hände an ihn krallten.
»Was soll das?« Wütend wirbelte er herum.
»Hast du nicht etwas vergessen, Hitzkopf?«, zischte Fiona. »Du kannst noch so stark sein, denk an den Revolver!«
Verdammt, er hätte ihnen das Ding gestern abnehmen sollen!
»Ich zähle jetzt bis zehn! Kommst du nicht, stirbt der Junge!«,
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