Dreizehn bei Tisch
Scheidung ein?«
»Ja. Er willigte in die Scheidung ein.«
»Das hätten Sie doch Jane umgehend mitteilen müssen!«, schrie der junge Mann in bitterem Vorwurf.
»Habe ich getan.«
»Wie?« Einstimmig riefen es Martin Bryan und Japp.
»Nicht wahr, das nimmt dem angeblichen Tatmotiv einiges von seiner Stärke?«, lächelte mein Freund. »Und nun, Mr Bryan, haben Sie die Güte, diese paar Zeilen zu lesen.«
Er zeigte ihm den Zeitungsartikel, den Martin ohne sonderliches Interesse überflog.
»Meinen Sie, das sei ein Alibi, Monsieur Poirot? Ich vermute, dass Lord Edgware irgendwann gestern Abend erschossen wurde, nicht?«
»Erdolcht, nicht erschossen.«
Bryan ließ das Blatt langsam sinken. »Jane ging nicht zu jenem Dinner.«
»Woher wissen Sie das?«
»Irgendwer hat es mir erzählt. Ich habe schon vergessen, wer.«
»Das ist schade!«
»Bei Gott, jetzt könnte man wieder meinen, Sie wünschen die Frau nicht überführt zu sehen, Monsieur Poirot!«, rief der Inspektor erregt.
»Langsam, langsam, mein guter Japp. Ich bin nicht der Parteigänger, für den Sie mich halten. Aber ehrlich: Gegen Ihre Darstellung des Falles empört sich der Verstand.«
»Empört sich der Verstand? Der meinige empört sich nicht.«
Schon sah ich gefährliche Worte auf Poirots Lippen zittern, aber er schluckte sie hinunter. Ruhig und sachlich sagte er. »Da haben wir eine junge Frau, die – wie Sie sagen – ihren Gatten loszuwerden wünscht. Diesen Punkt bestreite ich um so weniger, als sie selbst es mir frank und frei eingestand. Eh bien, wie geht sie nun zu Werk? Sie wiederholt vor Zeugen verschiedene Male laut und vernehmlich, dass sie ihn zu töten gedenkt. Hierauf macht sie sich eines Abends auf den Weg zu seinem Haus, nennt dort ihren Namen, ersticht ihn und geht davon. Was sagen Sie dazu?«
»Nun, ein bisschen töricht war es ja.«
»Sagen Sie lieber, es ist heillose Dummheit.«
»Meinetwegen«, gab Japp zu, indem er sich erhob. »Für die Polizei ist es nur von Vorteil, wenn Verbrecher Dummheiten begehen. Jetzt muss ich aber zurück zum Savoy.«
»Gestatten Sie, dass ich Sie begleite?«
Japp hatte nichts dagegen, und gemeinsam brachen wir auf. Unten an der Haustür trennte sich Martin Bryan von uns – wenn auch widerwillig. Nervös bat er, ihn über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden zu halten.
»Das reinste Nervenbündel!«, meinte Japp, als er ihm nachsah, und Poirot schien gleicher Meinung zu sein.
Am Portal des Savoy trafen wir mit einem sehr juristisch aussehenden Herrn zusammen, der nach Janes Suite fragte und denselben Fahrstuhl wie wir benutzte.
»Na?«, erkundigte sich Japp nun kurz bei einem seiner Leute.
»Sie telefonierte.«
»Und mit wem sprach sie?«
»Modesalon Jay. Wegen Trauerkleidung.«
»Der Teufel hole die Weiber!«, knurrte der Inspektor halblaut. Dann betraten wir den Salon.
Die verwitwete Lady Edgware probierte vor einem großen Spiegel Hüte und trug eine fließende, schwarz-weiße Kreation.
»Oh, Monsieur Poirot, wie lieb von Ihnen, mich zu besuchen«, begrüßte sie meinen Freund mit betörendem Lächeln. »Mr Mexon« – dies galt dem Rechtsanwalt –, »ich bin sehr froh, dass Sie da sind. Kommen Sie! Nehmen Sie hier neben mir Platz und sagen Sie mir, welche Fragen ich zu beantworten habe. Jener Mann scheint zu glauben, ich hätte George heute Morgen getötet.«
»Gestern Abend, Madame«, verbesserte Japp. »Gestern Abend um zehn Uhr.«
»Ach, gestern Abend um zehn?« Janes blaue Augen öffneten sich weit. »Ich dachte, heute Morgen.«
»Das wäre nicht gut möglich, weil es jetzt erst elf Minuten nach zehn ist.«
»Elf Minuten nach zehn? Seit Jahren bin ich nicht so zeitig aufgestanden. Dann müssen Sie ja in aller Frühe zum ersten Mal bei mir vorgesprochen haben, Inspektor. Was aber den gestrigen Abend anbelangt, so war ich auf einer Party. Oh…!« Sie legte erschrocken die Hand vor den Mund. »Vielleicht hätte ich das nicht sagen sollen.« Verlegen suchten ihre Augen den Anwalt.
»Wenn Sie um zehn Uhr gestern Abend auf einer Party waren, so sehe ich keinerlei Grund, diese Tatsache dem Inspektor zu verheimlichen, Lady Edgware«, beruhigte sie dieser. »Wirklich keinerlei Grund.«
»Nein? Dann darf ich wohl auch sagen, dass ich bei Sir Montague Corner war. Ach, Mr Mexon, Sie ahnen nicht, wie mich das Auftauchen der Polizei hier mitgenommen hat! Ich bin direkt in Ohnmacht gefallen.«
»Um wie viel Uhr gingen Sie gestern Abend von hier fort, Lady Edgware?«,
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