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Dreizehn bei Tisch

Dreizehn bei Tisch

Titel: Dreizehn bei Tisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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genauester Untersuchung fand ich am ganzen Körper nicht einen einzigen Einstich. Doch vielleicht war sie medikamentenabhängig. Die Haushälterin sagte mir zwar, dass Miss Adams von Natur aus einen gesunden Schlaf habe, aber darf man auf die Aussage von Angestellten bauen? Ich bin allerdings auch nicht der Ansicht, dass sie jede Nacht Veronal nahm, wenngleich sie es offenbar geraume Zeit genommen hat.«
    »Woraus schließen Sie das?«
    »Hieraus… Verdammt, wo habe ich das Ding hingetan?« Er wühlte in seinem Arztkoffer und förderte endlich ein Handtäschchen aus schwarzem Saffianleder zu Tage.
    »Da ich vermutete, dass eine Untersuchung eingeleitet werden wird, nahm ich es an mich, damit die Angestellte es nicht mit vorwitzigen Fingern durchkramt.«
    Während dieser Erklärung holte er aus dem Täschchen eine zierliche Golddose hervor, die in Rubinen die Initialen C. A. trug. Ein kostbares Stück! Der Doktor ließ den Deckel aufspringen, sodass der Inhalt sichtbar wurde.
    »Veronal«, erläuterte er kurz, auf das weiße Pulver weisend. »Nun lesen Sie, was hier geschrieben steht.«
    Auf der Innenseite des Deckels war eingraviert:
     
    C. A. von D. Paris, 10. November.
    Süße Träume
     
    »10. November«, wiederholte Poirot nachdenklich.
    »Jawohl, und jetzt haben wir Juni. Das deutet darauf hin, dass sie sechs Monate dieses schauderhafte Zeug geschluckt hat, und da die Jahreszahl fehlt, können es gut und gern auch achtzehn Monate oder zweieinhalb Jahre oder noch mehr gewesen sein.«
    »Paris… D.«, murmelte mein Freund.
    »Ja. Sagt Ihnen das was? Übrigens habe ich Sie gar nicht gefragt, warum Sie der Fall so interessiert, Monsieur Poirot. Möchten Sie wissen, ob Selbstmord vorliegt? Nun, das vermag ich Ihnen nicht zu sagen. Niemand kann es. Wenn wir Miss Bennett Glauben schenken, so war Miss Adams gestern sehr lustig aufgelegt. Das lässt auf einen Unfall schließen. Und nach meiner persönlichen Überzeugung ist es auch ein Unfall gewesen. Veronal ist ein höchst unzuverlässiges Mittel. Sie können einen Haufen davon nehmen, ohne dass es Sie tötet, und andererseits wieder genügt eine winzige Menge, und weg sind Sie. Darin liegt eben auch seine besondere Gefährlichkeit…«
    »Darf ich mir das Täschchen Mademoiselles näher ansehen?«
    »Gewiss, gewiss.«
    Poirot schüttete den Inhalt auf die Tischplatte: ein feines Leinentaschentuch mit den Buchstaben C. M. A. in einer Ecke, eine Puderquaste, ein Lippenstift, eine Pfundnote und etwas Wechselgeld, dazu ein Kneifer.
    Diesem letzteren widmete Hercule Poirot besondere Sorgfalt.
    Mit seiner goldenen Fassung und dem hohen geschwungenen Goldbügel wirkte er ein wenig altmodisch.
    »Seltsam! Ich wusste nicht, dass Miss Adams eine Brille trug«, wunderte sich mein Freund. »Vielleicht nur zum Lesen?«
    Der Doktor nahm ihm den Kneifer aus der Hand.
    »Nein, die Gläser sind im Gegenteil für draußen bestimmt, und ziemlich stark sind sie obendrein. Die Person, der sie gehören, muss sehr kurzsichtig sein.«
    »Ist Ihnen bekannt, ob Miss Adams…«
    »Ich habe sie nie vorher behandelt, Monsieur Poirot; nur einmal wurde ich wegen einer Fingerverletzung der Angestellten gerufen. Bei dieser Gelegenheit bekam ich Miss Adams kurz zu Gesicht, und ich erinnere mich, dass sie damals keine Brille trug.«
    Poirot dankte dem Doktor, und wir brachen auf.
    Ich sah, wie mein Freund nervös an seiner Unterlippe nagte.
    »Sollte ich mich also geirrt haben?«, murmelte er.
    »In Bezug auf die Verkleidung?«
    »Non, non, mon cher. Die müssen wir als bewiesen betrachten. Ich meinte in Bezug auf ihren Tod. Jetzt, da ich weiß, dass sie über Veronal verfügte, darf ich nicht die Möglichkeit außer Acht lassen, dass sie gestern Abend nervös und übermüdet war und so schnell wie möglich einschlafen wollte.«
    Dann blieb er plötzlich wie angewurzelt stehen – zur großen Überraschung der Vorübergehenden – und schlug heftig mit der einen Hand auf die andere.
    »Nein, nein und abermals nein! Warum sollte sich dieser Unfall zu solch gelegener Stunde ereignen? Es war kein Unfall. Und es war auch kein Selbstmord. Nein, als sie ihre Rolle spielte, unterzeichnete sie gleichzeitig ihr Todesurteil. Dem Veronal hat man einfach deshalb den Vorzug gegeben, weil bekannt war, dass sie es gelegentlich nahm und dass sie jene Golddose besaß. Aber dann muss der Mörder ihre Gewohnheiten sehr genau gekannt haben. Wer ist D. Hastings? Sagen Sie mir, wer ist D.?«
    »Poirot«, mahnte ich, als

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