Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Dreizehn Stunden

Titel: Dreizehn Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
Vom Netzwerk:
Wütend genug war er. Und er ist … komisch.«
    »Komisch?«
    Wieder zog sie die Schultern hoch, wodurch sich ihr Busen unter dem dünnen, festen Stoff auf erregende Weise bewegte. »Ein
     Gladiator, der zum Gospelsänger geworden ist. Finden Sie das nicht komisch? Und wie der aussieht …«
    »Ich kann ihn schlecht wegen seines Aussehens einsperren. Wer hatte sonst noch etwas gegen Adam Barnard?«
    Natasha stieß einen verbitterten Laut aus. »Wir sind hier im Musik-Business!«
    »Und das heißt?«
    »Alle haben ab und zu Krach miteinander.«
    »Und alle bumsen miteinander.«
    Das ärgerte sie wieder.
    »Wer sonst wäre wütend genug auf ihn gewesen, um ihn zu erschießen?«
    »Ich weiß es nicht genau.«
    Dann stellte er die Frage, die ihn am meisten beschäftigte: »Warum waren … die Frauen so verrückt nach ihm? Er war doch schon
     über fünfzig …«
    Sie stand auf und verschränkte die Arme unter der Brust, kalt und erbost. »Er wäre demnächst zweiundfünfzig geworden. Im Februar.«
    |278| Er wartete auf eine Antwort, die aber nicht kam. Er hakte nach: »Warum?«
    »Es hat nichts mit dem Alter zu tun, sondern mit der Ausstrahlung.«
    »Der Ausstrahlung?«
    »Ja.«
    »Was heißt Ausstrahlung?«
    »Das kann man nicht so genau beschreiben, das ist unterschiedlich.«
    »Was für eine Ausstrahlung hatte er?«
    »Das würden Sie nicht verstehen.«
    »Erklären Sie’s mir.«
    »Er strahlte Macht aus. Und zwar sehr stark.« Wieder blickte sie ihm herausfordernd in die Augen und fügte hinzu: »Frauen
     lieben die Macht des Geldes, und er besaß diese Macht. Außerdem bedeutete er für viele Frauen eine entscheidende Stufe auf
     der Karriereleiter. Er war in der Position, sie reichen Prominenten vorzustellen. Aber es gibt noch eine andere Art der Macht,
     die ganz und gar unwiderstehlich ist – die Macht, jemand anderem zur Macht zu verhelfen.«
    »Jetzt habe ich den Faden verloren.«
    »Der zweite Preis für eine Frau ist ein mächtiger Mann an ihrer Seite. Den ersten Preis gewinnt sie, wenn es ihr gelingt,
     selbst so viel Macht zu erlangen, dass sie keinen Mann in ihrem Leben braucht. Und diese Macht konnte Adam Barnard einer Frau
     verleihen.«
    »Den Sängerinnen? Er konnte ihnen zu Ruhm und Reichtum verhelfen?«
    »Genau.«
    Dekker nickte langsam. Sie zögerte noch einen Augenblick; dann drehte sie sich um und ging zur Tür.
    »Aber Sie sind keine Sängerin«, bemerkte er.
    Mit der Hand auf dem Türgriff antwortete sie, ohne sich umzudrehen: »Der zweite Preis ist auch nicht schlecht.«
    Sie öffnete die Tür und ging hinaus.
    »Schicken Sie mir diesen Nell rein, bitte!«, rief er ihr nach, war sich aber nicht sicher, dass sie ihn gehört hatte.

|279| 29
    Alexa Barnard bemerkte, dass jemand neben ihrem Bett stand.
    Sie schlug die Augen auf, fühlte den dumpfen Schmerz in ihrem Unterarm und das Gewicht ihres Körpers. Sie nahm den fremden
     Geruch des Krankenzimmers wahr und sah – rechts neben ihrem Bett – große Augen hinter dicken Brillengläsern. Sie versuchte,
     genauer hinzusehen, und schloss dann erneut die schweren Lider.
    »Mein Name ist Victor Barkhuizen, und ich bin Alkoholiker«, sagte eine Männerstimme, sehr leise, sehr sympathisch.
    Sie öffnete die Augen wieder. Es war ein alter Mann.
    »Bennie Griessel hat mich gebeten, bei Ihnen vorbeizuschauen. Der Ermittler. Wir kennen uns von den Anonymen Alkoholikern.
     Ich möchte nur, dass Sie wissen: Sie sind nicht allein.«
    Ihr Mund war staubtrocken. Sie fragte sich, ob das an den Medikamenten lag, den Schlafmitteln, die man ihr gegeben hatte.
    »Sind Sie der Arzt?«, fragte sie, aber ihre Zunge klebte am Gaumen, die Lippen waren wie betäubt, sie bekam die Worte nicht
     deutlich heraus.
    »Sie brauchen nicht zu reden. Ich bleibe einfach für eine Weile hier neben Ihnen sitzen und hinterlasse nachher bei der Stationsschwester
     meine Telefonnummer. Heute Abend komme ich wieder.«
    Sie drehte ihm mühsam den Kopf zu und schaffte es, die Augen zu öffnen. Er war klein und gebeugt, glatzköpfig und bebrillt,
     und seine wenigen verbliebenen Haare hingen ihm in einem langen grauen Flechtzopf über den Rücken. Sie streckte ihm mühsam
     die rechte Hand hin. Er nahm sie und hielt sie fest.
    »Sie sind der Arzt«, versuchte Alexa es noch einmal.
    »Und ich habe mich selbst kuriert.«
    »Ich rauche auch noch«, sagte sie.
    |280| »Nur Mut, Sie schaffen das ganz sicher.«
    Sie wusste nicht, ob man das Lächeln auf ihrem Gesicht erkennen konnte.

Weitere Kostenlose Bücher