Dreizehn Stunden
dich lieb, Schatz, hörst du, ich hab dich so sehr lieb!«
»Ich hab dich auch lieb, Mama!«
»So, ich geb dir mal deinen Vater, hör ihm gut zu, er nennt dir eine Telefonnummer, die du anrufen sollst. Versprich mir,
dass du genau das tust, was er dir sagt, bitte, versprich es mir, Rachel!«
»Ich verspreche es dir, Mama. Mir geht es gut, aber ihr habt euch bestimmt große Sorgen gemacht.«
»Denk nicht an uns, wir kümmern uns um alles, Schätzchen. Wie schön, deine Stimme zu hören, ich kann es kaum glauben, hier
ist dein Vater, ich hab dich lieb, hörst du, ich hab dich sehr lieb!«
»Ich hab dich auch lieb«, sagte Rachel Anderson und lächelte unter Tränen der Sehnsucht und Dankbarkeit. Dann hörte sie die
Stimme ihres Vaters: »Liebling? Geht es dir gut?«
»Ja, Papa, mir geht es gut. Ich bin bei einem sehr netten älteren Herrn, bei ihm zu Hause. Hier bin ich sicher.«
»Ich kann dir gar nicht sagen, wie erleichtert ich bin, Schätzchen, das sind wirklich gute Neuigkeiten«, sagte ihr Vater mit
beruhigender Stimme. »Wir setzen von hier aus alle Hebel in Bewegung, um dir zu helfen. Ich habe mit dem Generalkonsul in
Kapstadt gesprochen. Sie sind über alles informiert. Ich gebe dir die Nummer. Aber zuerst notierst du dir die Nummer eines
Captains |311| von der Kripo. Du hast zwar beim letzten Mal gesagt, du könntest dich nicht an die Polizei wenden, aber dieser Mann wurde
uns von ganz oben empfohlen. Ich habe auch schon persönlich mit ihm gesprochen. Er ermittelt in deinem Fall, und er hat mir
sein Wort gegeben, dass er dich in Sicherheit bringen wird, okay?«
»Hundertprozentig?«
»Ganz sicher. Sogar der südafrikanische Polizeiminister weiß von dir. Der Generalkonsul hat Kontakt mit ihm aufgenommen, also
ist die Sache auf höchster Ebene bekannt. Dir kann nichts passieren. Kannst du dir die Nummern aufschreiben?«
Rachel ließ den Blick über den Schreibtisch wandern, entdeckte das gelbe Ende eines Bleistifts unter einem Dokument, zog ihn
heraus und drehte eines der zahllosen beschriebenen Blätter um.
»Ich bin soweit«, sagte sie entschlossen und erleichtert. Der Albtraum war fast vorbei.
Mbali Kaleni hatte auf dem Paradeplatz geparkt. Sie ging in der hellen Sonne durch die Gasse der Blumenverkäufer, an der alten
Post vorbei und zwischen den Buden entlang, die von Schuhen bis zu Knabbernüssen alles verkauften. Sie überlegte kurz, sich
gebrannte Cashews zu holen, aber sie wollte doch lieber so schnell wie möglich nach Oranjezicht zurückkehren, um sich dieses
Haus noch einmal anzusehen.
Sie beschleunigte ihre Schritte, und ihre große schwarze Handtasche schwang im Takt dazu.
»Eines müssen Sie mir erklären«, sagte Griessel zu Oliver Sands. Er stand aufrecht, Sands saß am Tisch, immer noch verwundert,
als sei die ganze Aufmerksamkeit zu viel für ihn. »Warum haben die Mädchen ihre Rucksäcke mit in den Club genommen?«
»Die Rucksäcke …«, sinnierte Sands. »Sie haben sie überall mit sich herumgeschleppt. Typisch Mädchen, glaube ich. Sie wissen
schon, für ihr Make-up und so.«
Griessel dachte an den Rucksack, den Oerson gefunden hatte. Klein, kompakt. Schon möglich. Er musste die Plastikmülltüte |312| untersuchen, aber nicht hier. Er würde zum Caledonplein zurückkehren müssen.
»Hier Jeremy«, meldete sich Oerson am Handy, und Fransman Dekker hörte sofort, dass er ein Farbiger war und höchstwahrscheinlich
im Auto saß.
»
My broe’
, mein Name ist Fransman Dekker von den SAPS – wie geht’s so bei euch?«, fragte Dekker freundlich, denn Griessel hatte ihn
gewarnt, der Metro-Offizier sei ein »harter Brocken«.
»Alles klar. Und bei euch?«
Fransman verfiel in Farbigen-Afrikaans. »Auch gut. Hör mal, in dem Müllsack, den eure Leute uns gebracht haben, hat eine kleine
Überraschung gesteckt – ein Schuh, Größe zehneinhalb. Kannst du mal eben nachhören, wo eure Leute den aufgelesen haben?«
»Ich kann dir da nicht weiterhelfen, aber ich lasse die Männer reinkommen und frage sie.«
»Vielen Dank, es geht nämlich um einen Mordfall. Ich muss leider los, du weißt, wie das ist.«
»Ja, ich weiß. Es kann zehn Minuten dauern, ich kann gerade schlecht weg.«
»Rufst du mich zurück?«
»Sofort,
my broe’.
«
Dekker beendete die Verbindung und klopfte am Büro des Buchhalters Wouter Steenkamp an. Als keine Antwort kam, öffnete er
die Tür. Steenkamp telefonierte, er sagte gerade: »… müssen die
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