Dreizehn Stunden
Griessel unterdrückte seine
nagende Ungeduld, denn er wollte, dass sie sich wirklich ganz sicher war.
Sie öffnete die Augen. »Ja, ich bin sicher«, sagte sie und nickte entschieden.
»Sie hatte nirgendwo anders Blut an sich?«
Evelyn schüttelte energisch den Kopf. »Nein. Nur am Arm.«
»Nicht am Hals oder am Kopf?«
»Nein, ganz sicher nicht.«
»Gott sei Dank!«, seufzte Bennie Griessel, fasste ihre Hand, die im offenen Fenster lag, küsste sie und sagte: »Danke!– Danke,
Danke!« Dann wandte er sich um und lief wieder zurück.
Es war nicht das Blut von Rachel Anderson.
Im ersten Moment wollte Fransman Dekker seine aufgestaute Frustration und seine ganze Wut an Mouton und Steenkamp auslassen.
Er stand hinter der geschlossenen Tür von Adam Barnards Büro und hätte am liebsten eines der gerahmten Fotos heruntergerissen,
auf den Boden geworfen und kaputtgetrampelt. Er war wütend auf Mouton, weil dieser frech behauptet hatte, es sei Jos Geyser
gewesen. Er war wütend, weil Mouton ihn wie einen Idioten behandelt hatte. Er war wütend, wenn er nur daran |339| dachte, wie sich Steenkamp in seinem Bürostuhl zurückgelehnt hatte. Dieser selbstzufriedene, aufgeblasene Weiße …
Er musterte die Fotos von Adam Barnard. Ein kräftiger, hochgewachsener Mann, voller Selbstvertrauen. Sein Lächeln, mit dem
er in die Kamera blickte, war immer gleich. Stets stand er ein wenig schräg zum Fotografen, die Hand um die Schulter oder
die Taille eines Künstlers oder einer Künstlerin gelegt – das Musterbeispiel des erfolgreichen Geschäftsmannes, die Beliebtheit
in Person, keinen einzigen Feind auf der Welt.
Unmöglich.
Und das, so wusste Dekker, war der eigentliche Grund für seine Frustration: Er steckte in einer Sackgasse. Die Ermittlungen
drohten, in einem Morast von verdammten Unwägbarkeiten zu versinken. Nichts ergab einen Sinn, und die
Whiteys
lachten ihn aus.
Wo steckte eigentlich Mbali Kaleni?
Er setzte sich auf den Bürostuhl am Schreibtisch, stützte die Ellbogen auf, legte den Kopf in die Hände und rieb sich die
Augen. Er musste nachdenken, die Verletzungen seines Egos für einen Moment vergessen und den ganzen Fall noch einmal systematisch
von vorne bis hinten durchgehen. Die Puzzleteile wollten sich nicht zu einem stimmigen Gesamtbild fügen. Jos und Melinda Geyser.
Entweder sie logen beide, oder sie sprachen die Wahrheit. Das Video? Der Erpresser? Und wo steckte bloß Mbali Kaleni? Hatte
sie eine Spur, die sie in diesem Moment auf eigene Faust verfolgte? Würde sie den Fall lösen, und wäre er am Ende der Depp?
Er zog sein Handy heraus, wählte ihre Nummer und ließ es lange klingeln, aber sie meldete sich nicht.
Bestimmt sah Kaleni auf dem Display seine Nummer und ging absichtlich nicht dran. Erneut loderte die Wut in ihm auf wie ein
rasender Steppenbrand.
Warte, warte, warte. Beruhige dich.
Wieder legte er den Kopf in die Hände und schloss die Augen. Verdammt, er musste sich zusammenreißen, wenn er diese Nuss knacken
wollte!
Konzentration! Also: Adam Barnard war in sein Haus getragen worden, die Treppe hoch bis zu seiner besoffenen Frau. Das bedeutete,
dass der Täter gewusst haben musste, dass sich |340| seine Frau jeden Abend bewusstlos trank. Das bedeutete, dass jemand den leblosen, zwei Zentner schweren Barnard dorthin geschleppt
haben musste. Jemand, der wusste, dass Barnard eine Pistole im Haus hatte – und wo er sie aufbewahrte.
Bloemfontein und den Erpresser konnte er vergessen, der kam nicht in Frage. Das Wissen um die Pistole war der Schlüssel.
Wer konnte davon gewusst haben?
Jos Geyser? Vielleicht. Möglicherweise auch Melinda. Wissen. Motiv. Körperkraft.
Aber Bennie Griessel war der Meinung, Jos sei es nicht gewesen. Und Griessel ließ sich nicht so leicht ein X für ein U vormachen,
auch wenn man von ihm behauptete, er habe gesoffen wie ein Fisch. Oder irrte sich Griessel hier ausnahmsweise? War der frischgebackene
Kaptein mit dem Kopf zu sehr bei dem Kirchenmord? Schließlich war er auch nur ein Mensch …
Die Pistole. Wie viele Leute konnten von ihr gewusst haben? Alexa Barnard. Griessel hatte die Säuferin auch als Tatverdächtige
ausgeschlossen. War Bennie wirklich objektiv? Oder hatte sie ihn, den Saufbruder, hinters Licht geführt? Hatte ihr jemand
geholfen? Ein Liebhaber?
Wer kam noch in Frage? Wenn er in Betracht zog, dass siebzig bis achtzig Prozent aller Verbrechen von nahen Verwandten verübt
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