Dreizehn Stunden
Anfang an Schwierigkeiten gemacht«, verteidigte sich Fransman Dekker. »Er hat schon den Konstabel am Gartentor
belästigt, weil er unbedingt reinwollte. Aber es war ein Tatort, Kommissaris, und ich handle immer streng nach Vorschrift.«
»Das ist nicht mehr als fair«, sagte John Afrika, senkte den Kopf und legte nachdenklich die Hand vor den Mund. Dann blickte
er auf. »Die Medien …«, sagte er und sah Cloete fragend an.
»Es ist eine Sensation«, erklärte Cloete, wie immer in Verteidigungshaltung, als sei er mit schuld an der Blutrünstigkeit
der Medien. »Barnard war ein Promi.«
»Ja, genau da liegt das Problem«, stimmte John Afrika zu und grübelte weiter vor sich hin.
Als er den Kopf wieder hob und Dekker mit einem entschuldigenden Zug um den Mund ansah, wusste Griessel, was kommen würde.
»Es wird dir nicht gefallen, Fransman …«
»Kommissaris, vielleicht …«, wandte Griessel ein, denn er wusste aus eigener Erfahrung, wie es sich anfühlte, wenn einem die
Verantwortung entzogen wurde.
Afrika hob die Hand. »Die werden uns in der Luft zerreißen, Bennie, wenn Mouton behauptet, wir wären schuld an Alexa Barnards
Selbstmordversuch. Immerhin waren wir da, in ihrem Schlafzimmer. Du weißt doch, wie das in der Presse geht. Und |119| morgen schreiben sie dann, wir hätten unerfahrene Leute mit dem Fall betraut.«
Dekker begriff es jetzt auch. »Nein, Kommissaris!«, bat er.
»Jetzt lass uns nicht lange darüber streiten, Fransman, der Selbstmord fällt unter deinen Verantwortungsbereich!«, sagte Afrika
streng. Dann, etwas ruhiger: »Ich behaupte ja gar nicht, dass es dein Fehler ist, ich will dich nur schützen.«
»Schützen?«
»Sieh es doch ein. Es sind schwierige Zeiten …«
Alle wussten, dass er auf die Ermittlungspannen in letzter Zeit anspielte, auf die sich die Zeitungen und die Politiker wie
Raubtiere gestürzt hatten.
Dekker versuchte es noch ein letztes Mal. Im Farbigen-Dialekt sagte er: »Aber Kommissaris, wenn ich den Fall heute löse, schreiben
sie morgen …«
»Nein, du weißt, dass es so einfacher ist.«
Griessel fragte sich, wieso Farbige nur untereinander
Vlakte-Afrikaans
sprachen. Er fühlte sich dann immer ausgeschlossen.
Dekker wollte noch etwas erwidern, aber John Afrika hob warnend den Zeigefinger, und sein Mund klappte wieder zu. Seine Kiefer
mahlten, und seine Augen funkelten wütend.
»Bennie, du übernimmst den Fall«, befahl der Kommissaris. »Ab sofort. Und du, Fransman, arbeitest eng mit Bennie zusammen.
Er soll den Druck abfangen, er soll sich mit den Moutons dieser Welt herumschlagen, aber ihr seid ein Team, und wenn ihr den
Fall löst …«
Griessels Handy klingelte.
»… könnt ihr beide die Lorbeeren ernten.«
Bennie zog das Handy hervor und sah auf das Display.
»Vusi«, erklärte er vielsagend.
»
Jissis
«, seufzte der Kommissaris. »Wenn schon, dann kommt es richtig dicke.«
Griessel meldete sich: »Vusi?«
»Ist der Kommissaris noch da, Bennie?«
»Ja, er ist hier.«
»Dann halt ihn auf, Bennie, er soll unbedingt dableiben!«
|120| Der Tafelbergweg war ein schmaler asphaltierter Weg, der sich anfangs in einer gleichmäßigen Höhe von 360 Metern über dem
Meeresspiegel an den Hängen des Berges entlangzog. Er führte an der ersten Seilbahnstation vorbei, an der die Touristen jetzt
in langen Schlangen warteten, doch jenseits des kleinen Tals von Platteklipstroom hielt eine Betonabsperrung die Autos auf,
so dass nur Fußgänger und Fahrradfahrer weiterkonnten. Von hier führte der Weg in stetem Auf und Ab zwischen 380 und 460 Metern
Höhe um die Hänge des Duiwelspieks herum, bis er schließlich als schlechter, unbefestigter Pfad in den Koningsbattery-Wanderweg
mündete.
Der Aussichtspunkt mit dem besten Blick über den Stadtkessel befand sich hundert Meter unter dem Gipfel des Mount Prospect,
unterhalb der Nordwestseite des Duiwelspieks, kurz bevor der Weg in einer scharfen Biegung ostwärts abknickte.
Der junge Mann saß knapp oberhalb des Weges auf einem Felsblock, im Schatten eines jetzt blütenlosen Proteabusches. Er war
Ende zwanzig, weiß, sportlich und braungebrannt. Er trug einen breitrandigen Hut, ein ausgeblichenes blaues Hemd mit grünem
Kragen, lange Khakishorts und alte, abgelaufene Rocky-Sandalen mit dicken Profilsohlen. Er hielt ein Fernglas vor die Augen
und suchte das Gelände systematisch von links nach rechts, von Westen nach Osten ab. Das Kap-Panorama war atemberaubend
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