Dreizehn Stunden
Möglichstes tun, sie zu finden und zu beschützen.«
»Zunächst einmal möchte ich Ihnen danken, Captain, dass Sie sich die Zeit nehmen, uns anzurufen. Gibt es etwas Neues?« Das
klang so höflich und amerikanisch, dass Griessel die Situation als unwirklich empfand, fast wie in einem Fernsehdrama.
»Zurzeit durchsucht ein Polizeihubschrauber das Gebiet, wo Ihre Tochter zuletzt gesehen wurde, und mehr als zehn Streifen
suchen sie in den Straßen. Weitere Einheiten sind bereits angefordert. Aber leider haben wir sie bisher nicht gefunden.«
Stille in der Leitung, nicht mal das übliche Rauschen wie bei einem Ortsgespräch.
»Es fällt mir schwer, Sie das zu fragen, Captain, aber als Rachel mich angerufen hat, sagte sie, sie könne nicht zur Polizei
gehen … Ich hoffe, Sie verstehen, dass ich als Vater mir große Sorgen mache. Wissen Sie, warum sie das gesagt hat?«
Griessel atmete tief durch. Genau vor dieser Frage hatte er sich gefürchtet. »Wir haben bereits über dieses … Thema … diskutiert,
Mr Anderson.« Das war nicht das richtige Wort. »… diese Frage, meine ich. Es könnte Verschiedenes bedeuten, und ich ermittle
in alle Richtungen.« Nein, auch das war nicht deutlich genug. »Wissen Sie, ich habe eine Tochter im selben Alter wie Rachel.
Meine Tochter hält sich zurzeit in London auf. Ich weiß, wie Sie sich fühlen, Mr Anderson. Ich weiß, dass es sehr … schwer
für Sie sein muss. Unsere Kinder sind alles, was wir haben.« Er wusste, das klang schief und nicht sehr treffend.
|234| »Richtig, Captain, genau das habe ich in den letzten paar Stunden gedacht. Deswegen mache ich mir ja solche Sorgen. Sagen
Sie mir, Captain – kann ich Ihnen vertrauen?«
»Ja, Mr Anderson. Sie können mir vertrauen.«
»Dann werde ich es tun. Ich vertraue Ihnen das Leben meiner Tochter an.«
Nein, bitte sag so etwas nicht, dachte Griessel. Erst musste er sie finden. »Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht«,
versprach er.
»Gibt es irgendetwas, was wir von hier aus tun können? Ich … irgendetwas?«
»Ich gebe Ihnen meine Handynummer, Mr Anderson. Sie können mich jederzeit anrufen. Wenn Rachel sich noch einmal bei Ihnen
meldet, geben Sie ihr bitte meine Nummer und sagen Sie ihr, dass ich zu ihr kommen werde, nur ich allein, falls sie Angst
hat. Und ich verspreche Ihnen, dass ich Sie anrufen werde, sobald es etwas Neues gibt.«
»Wir dachten … Wir würden gerne hinüberfliegen …«
Griessel wusste nicht, was er darauf antworten sollte. »Ich … Natürlich können Sie das tun … Warten Sie, bis ich sie gefunden
habe, Mr Anderson. Warten Sie solange.«
»Werden Sie meine Tochter finden, Captain?« Ein verzweifelter Unterton lag in seiner Stimme. Er klammerte sich an einen Strohhalm.
»Ich werde nicht ruhen, bis ich sie habe.«
Bill Anderson legte langsam das Telefon hin und sank in seinen Stuhl. Er schlug die Hände vor das Gesicht.
Seine Frau stand neben ihm, eine Hand um seine Schulter gelegt.
»Weine ruhig«, flüsterte sie kaum hörbar.
Er antwortete nicht.
»Ich werde jetzt stark sein, also kannst du weinen.«
Allmählich nahm er die Hände herunter. Er betrachtete die Bücher in den breiten Regalen vor ihm. So viel Wissen, dachte er.
Doch es half ihm alles nichts.
Er senkte den Kopf. Seine Schultern zuckten.
|235| »Ich habe ihn gehört«, sagte Jess Anderson. »Er wird sie finden. Ich habe es an seiner Stimme gehört.«
Kaptein Bennie Griessel hatte die Ellbogen auf den Schreibtisch des Direktors gestützt, das Kinn in den Händen.
Er wollte das nicht sagen. Er wollte keine Versprechungen machen. Er hätte nichts weiter sagen sollen als: »Ich werde mein
Möglichstes tun.« Oder: »Unter den gegebenen Umständen möchte ich keine Versprechungen machen.« Aber Rachels Vater hatte ihn
quasi angefleht: »Werden Sie meine Tochter finden, Captain?«
Und da hatte er gesagt, er werde nicht ruhen, bis er sie gefunden hatte.
Aber wo zum Teufel sollte er anfangen?
Er ließ die Arme sinken, konnte sich nicht konzentrieren. Es passierte einfach zu viel auf einmal.
Der Hubschrauber und die Patrouillen würden sie nicht aufspüren, denn sie versteckte sich, weil sie Angst vor der Polizei
hatte. Und er wusste nicht, warum.
Um das herauszufinden, musste er wissen, wer hinter ihr her war. Vusis Plan gefiel ihm immer besser. Er war gespannt, welche
Fortschritte er machte.
Griessel stand auf und griff nach seinem Handy. Doch plötzlich klingelte es
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