Drift
Charterfirma, der ihnen das Schiff übergeben würde. Sein Name war Daniel. Er war ein netter, gutgelaunter und logischerweise von Kopf bis Fuß braungebrannter Typ, der zum Glück sofort realisierte, dass Martin sich auskannte, so dass die beiden das Check-in nach einer Viertelstunde erledigt hatten und Martin und Helena sich ums Auspacken ihres Gepäcks kümmern und schon eine knappe halbe Stunde später auslaufen konnten.
Der Wind, warnte ihn Daniel, bevor er sich um andere Gäste kümmern ging, sei ziemlich stark für einen Mistral und sie sollten draußen aufpassen. Martin beruhigte ihn. Erstens ging es kursmäßig auf Halbwind und im Notfall nur mit Genova; der Wind kam genau aus der richtigen Richtung, und gegen sechs Beaufort hatte er nicht das geringste einzuwenden. Daniel grinste nur und drückte ihm die Hand: »Viel Spaß und viel Glück.«
Außerhalb der schützenden Mauern des Hafens war Martin dann doch ein wenig überrascht von der Größe der Wellen und der Heftigkeit des Windes: Der Mistral entwickelte üblicherweise etwa vier bis fünf Beaufort, an diesem Tag allerdings, ausgerechnet am ersten Tag, an dem er mit Helena alleine auf dem Schiff unterwegs war, wehte der Mistral mit einem sauberen Siebener, was doch schon ganz schön viel war – generell und für einen Mistral ganz besonders. Trotzdem sagte er sich: Rauf mit dem Zeug, so lernt sie’s am schnellsten.
Er erklärte ihr, welchen Kurs sie halten musste, damit er das Groß hochkurbeln konnte, und wie erwartet stellte Helena sich äußerst geschickt an und setzte jede der Kurskorrekturen, die nötig waren, um das durchgelattete Segel sauber am Lazy Jack vorbei hinaufzukriegen, sofort und richtig um.
In null Komma nichts hatten sie das Hauptsegel oben, fielen ab, stellten den Motor aus und schon ging die Melissa ab wie wild und |173| Martin und Helena probierten aus, wie viel von der Rollgenova sie geben sollten, und gaben natürlich alles: Die Melissa schoss durch die Wellen wie ein Delfin.
»Na, was sagst du?«
»Ist es immer so heftig?«, fragte Helena und meinte die Gischt, die übers Cockpit schwappte, wann immer die Melissa deftig in einem der Wellentäler landete.
»Nein«, antwortete Martin lachend. »Eigentlich nicht. Aber wenn du Angst hast, reffe ich die Segel – soll ich?«
Helena schüttelte lächelnd den Kopf.
»Nein, lass ruhig, ich wollte nur wissen, ob ich mich darauf einstellen muss, jeden Tag nass zu werden bis auf die Knochen …«
Martin grinste. Wenn das alles war, worum Helena sich Sorgen machte, würden es zwei wunderbare Wochen werden.
»Keine Sorge, mein Schatz, morgen ist Südwind angesagt, ein einigermaßen leichter, dann geht’s schön auf Kreuz und du lernst im Handumdrehen, wie man segelt.«
»Ist das denn nicht segeln?«, fragte sie.
Martin grinste breit.
»Und ob das Segeln ist – sogar vom Feinsten … Was sagt die Geschwindigkeitsanzeige?«
»Meinst du die, auf der achtkommafünf steht?«
Wow, dachte Martin und nickte, hätte nicht gedacht, dass das kleine Ding so viel hergibt.
Helena holte ihn aus einem Glücksmoment und warf ihn gleich in den nächsten.
»Ich wette, du hättest jetzt gern ein Bier, stimmt’s?«
»Ja, schon«, antwortete Martin, »aber angesichts der Tatsache, dass das dein erster Törn ist und wir sieben Beaufort haben, würde ich vorschlagen, wir köpfen eine Flasche Weißwein … Was sagst du?«
Helena war einverstanden und verschwand vorsichtig in der Kabine; Martin hatte sie noch im Hafen darauf aufmerksam gemacht, |174| dass es eine eiserne Regel auf dem Schiff gab, an die sie sich unter allen Umständen halten musste: Eine Hand für sich, eine Hand für’s Schiff.
Und so hielt sie es auch und kam schon bald mit zwei Gläsern, Korkenzieher und einer Flasche Korculanischem Weißwein die Treppe hoch; Martin hatte darauf bestanden, dass der erste Wein, den sie trinken würden, von der Insel seines Großvaters kommen sollte. Er stellte den Autopiloten ein, nahm die Flasche und den Korkenzieher, während Helena sich auf die Seite setzte, auf der kaum Gischt spritzte, ihre Bluse aufknöpfte und ihren BH und ihren flachen Bauch freilegte.
Martin füllte die Gläser und gab ihr eins. Sie stießen an.
»Auf zwei fantastische Wochen, mein Schatz.«
»Auf zwei wunderschöne Wochen, Liebling.«
Und an den Hund gewandt fügte sie hinzu: »Das gilt natürlich auch für dich, du Hundevieh …«
Sie küssten sich, tranken, und Martin stellte den Autopiloten wieder ab
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