Drimaxid 01 - Die Zelle
verbrennen, als würde er in kochendem Wasser stehen. Der Hunger bohrte in seiner Magengegend wie eine mittelalterliche Lanze. Er war zu schwach um zu sprechen. Zu schwach … um zu beten. Zu schwach … um … zu … denken …
Plötzlich tat sich vor ihm etwas. Die Tür öffnete sich mit einem gurgelnden Laut. Als hätte jemand die Klospülung gedrückt. Gedämpftes Licht flutete in den Raum. Adam konnte nur Licht erkennen. Einen Spiegel aus gleißendem Licht, wie ein Dimensionsportal, geöffnet durch einen Zeitaktuatorenantrieb. Was dahinter lag, wusste er nicht.
Zwei Hände schoben sich wie die langen Hälse von weißen Schwänen, die in einen See aus Licht getaucht waren, in die Dunkelheit und streichelten seine Schultern.
Hände mit Armen dran , stellte Adam erleichtert fest. Menschliche Hände. Keine deformierten Klauen, die zu einem schwarzen Scherenschnittmann gehören.
Aus dem behutsamen Streicheln wurde ein fester Griff. Adam wurde gepackt und mit roher Gewalt aus der Dunkelzelle des Grauens herausgezogen. Irgendwie war Adam froh, dass seine Zeit in dem stählernen Würfel abgelaufen war. Er hatte viel zu lange in dem vier Meter im Quadrat messenden Raum verbracht.
Dennoch hatte ihm der Ort, den er einst den Kubus des Schreckens genannt hatte, auch einen gewissen Schutz, ein Gefühl von Sicherheit und trügerischer Geborgenheit gegeben. Jetzt wurde er aus seiner Zelle herausgerissen.
Seiner Welt.
Seinem Universum.
Adam wusste nicht, was ihn dort draußen (außer dem gleißenden Licht) erwartete. Die Ungewissheit war fast noch schlimmer wie die Dunkelangst.
Was war geschehen, nachdem sie die Schlacht auf dem Todesplateau verloren hatten? Was war aus den anderen Soldaten geworden? Was war mit Roland geschehen?
Seine Zeit in dem stählernen Würfel war vorbei und, obgleich es die schlimmste Zeit seines bisherigen Lebens gewesen war (einmal abgesehen von dem blutigen Gemetzel auf dem Todesplateau und dem Eingesperrt-Sein im Schrank seines Vaters), sollte er sich schon bald nach dieser Zeit sehnen. Der Realität gewordene Albtraum, indem er fortan leben würde, hatte gerade erst begonnen.
Aber das wusste Adam natürlich noch nicht, als ihn die starken Arme aus der brütend heißen, stockfinsteren Zelle herauszogen und er dabei vor Erschöpfung in Ohnmacht fiel.
Roland I
Er öffnete sein linkes Augenlid. Nur einen winzigen Spalt. Gerade so weit, dass er vorsichtig hindurchspähen konnte.
Grelles Licht flutete zu ihm herein. Wenn die Sonne früher, als er noch ein Kind gewesen war, am Morgen zu ihrer langen und beschwerlichen Wanderung zum Zenit hinauf aufgebrochen war, dann hatten ihre goldenen Strahlen durch die feinen Maschen am Rollladen an seinem Fenster geschienen und leuchtende Linien an die weiße Wand seines Kinderzimmers gezeichnet.
Heute war er kein kleines, unschuldiges Kind mehr. Er war Soldat des 1. Sturmtrupps der United Planets. Ein trainierter Killer. Aber möglicherweise lag das gar nicht so weit auseinander. In den Augen so manches Rekruten, der zum ersten Mal eine Waffe mit echter Munition abfeuern durfte, hatte er dieses verzauberte Glitzern entdeckt, das Kinder haben, wenn sie an Heiligabend ins Wohnzimmer stürmen und die bunt verpackten Geschenke sehen, die sich unter dem mit kitschigen Leuchtkugeln geschmückten Plastikweihnachtsbaum stapeln.
»Ich weiß, dass du wach bist«, hörte er eine dumpfe Stimme.
Die Worte eines anderen Lebewesens. Welch wunderbarer Klang! Adam hätte es womöglich schon gereicht, wenn es nur glucksende oder rülpsende Urlaute gewesen wären. Es gab noch mehr Menschen auf dem Raumschiff!
Er fragte sich, warum er sich derartig darüber freute. Eigentlich hatte er niemals daran gezweifelt. Er war nur etwas verwundert gewesen, weil man ihn bisher nicht befreit hatte.
»Das sollte kein Test sein. Ich weiß wirklich, dass du wach bist. Ich merke es an der Art wie du atmest. Ich sehe, dass deine Augenlider zucken«, erklärte der Fremde.
Adam dachte einen Moment darüber nach, ob er das Spiel weiterspielen sollte. Vielleicht wusste sein Gegenüber gar nicht, dass er wach war und die Worte waren nur ein Bluff. Da schwang aber irgendetwas in seiner Stimme mit, was Adam aufhorchen ließ.
Vorsichtig öffnete er seine Augen. Nicht, weil er dem Fremden vorspielen wollte, dass er langsam erwachen würde, sondern weil er sich vor dem Licht fürchtete. Er hatte lange in der Dunkelzelle des Grauens gehockt. Viel zu lange, als es für seine Augen gut
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